Auf die Baumblüte haben die im Frankfurter EZB-Turm beschlossenen Maßnahmen keine Auswirkungen. Sehr wohl zeigen sich aber im Alltag des Bankwesens sonderbare Auswüchse.
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Was haben sich die Währungshüter nicht alles ausgedacht in ihrem Elfenbeinturm, dem EZB-Tower in Frankfurt. Null- und Negativzinsen, Liquiditätsspritzen für Banken und breit angelegte Wertpapierkaufprogramme sollten die Eurozone wieder auf Kurs bringen. Allein, das oberste Ziel, die Inflation auf den Zielwert von knapp zwei Prozent zu hieven, bleibt auch nach mehrjähriger geldpolitischer Rosskur der EZB außer Griffweite – im Jänner lag die Teuerung in der Währungsunion bloß bei 1,4 Prozent.

Sehr wohl greifbar sind die Folgen in der auf Zinsentzug gesetzten Bankbranche: Während früher Wettbewerb zwischen den Instituten um das Ersparte der Kundschaft herrschte, ist dieses mittlerweile zum schwarzen Peter geworden. Wer etwa ein klassisches Sparbuch eröffnen will, muss zuerst eine Bank finden, die überhaupt dazu bereit ist. Schon im Vorjahr wurde von Fällen berichtet, in denen Kunden, die ein Sparbuch eröffnen wollten, wieder weggeschickt wurden.

Kein Sparbuch mehr

Nun geht die Hypo Niederösterreich einen Schritt weiter und streicht das Sparbuch aus der Produktpalette, Kunden sollen stattdessen zu digitalen Sparformen greifen. Hintergrund dürfte das teure Handling der herkömmlichen Sparbücher sein, das Personals und eigener Drucker bedarf. Wenn dieser Schritt der Hypo Schule macht, wird das vor allem ältere, wenig onlineaffine Menschen treffen – zumal die Banken aus Kostengründen zugleich auch ihr Filialnetz ausdünnen.

In Deutschland setzen unterdessen immer mehr Sparkassen – der Name ist offenbar nicht mehr Programm – langjährige Kunden mitsamt Erspartem vor die Türe. Dabei handelt es sich zumeist um Prämiensparverträge, bei denen Kunden in der Regel neben dem Grundzins eine Prämie auf den im selben Jahr eingezahlten Betrag erhalten, die im Zeitablauf ansteigt. Folglich bekommen die treuesten Kunden zuerst den Laufpass. Als Begründung führen die Sparkassen die Zinspolitik der EZB an.

Verwahrungsentgelt in Deutschland

Im Gegensatz zu Österreich ist in Deutschland das Weiterreichen von Negativzinsen an Privatkunden erlaubt – wovon die Institute auch dankbar Gebrauch machen. Von den rund 1.300 deutschen Instituten kassieren bereits 190 ein "Verwahrungsentgelt", wie sie die Negativzinsen lieber bezeichnen. Zumeist mit einem Freibetrag, manche Geldhäuser schlagen aber schon ab dem ersten Euro zu.

Ein weiteres Kuriosum spielt sich hinter verschlossenen Tresortüren ab. Sein Haus horte "relativ große, eigentlich riesige Barbestände", sagte der damalige Erste-Group-Chef Andreas Treichl Mitte November. Warum? Die Kosten für die Versicherungsprämie seien nur halb so hoch wie der Strafzins der EZB auf Bankeinlagen von minus 0,5 Prozent.

Banken horten Bargeld

Da wohl auch andere Institute dies praktizieren, dürfte in der gesamten Eurozone ein sehr hoher Milliardenbetrag dauerhaft dem Bargeldkreislauf entzogen werden. Um Engpässen vorzubeugen, müssen die Notenbanken Ersatz drucken, was wiederum Kosten erzeugt. Allein in Österreich ist in den vergangenen zwei Jahren der Bestand an ausgegebenen Banknoten um mehr als 15 Prozent auf 30,7 Milliarden Euro gestiegen.

Diese Begebenheiten zeigen, dass die Eurozone durch die EZB-Politik geradezu in Geld erstickt. Banken wollen es nicht mehr, da überschüssige Liquidität Kosten verursacht, wenn man es sicher anlegen oder verwahren will. Ob EZB, Geldmarkt oder sichere Bundesanleihen – überall müssen Negativzinsen berappt werden. An den Bürgern der Eurozone ist die Geldflut ohnedies weitgehend vorübergegangen, sonst wäre durch den Konsum die Inflation wohl höher. Statt im Einzelhandel hat die Liquidität die Preise für Immobilien, Anleihen und Aktien in ungeahnte Höhen getrieben. (Alexander Hahn, 6.2.2020)