Inhalte des ballesterer#149 (März 2020) – Seit 7. Februar im Zeitschriftenhandel und digital im Austria-Kiosk (https://www.kiosk.at/ballesterer)

SCHWERPUNKT: BERGARBEITERKLUBS

DICKE LUFT BEI DEN REKORDMEISTERN

In Oberschlesien kämpfen die alten Großvereine ums Überleben

ZWISCHEN WANDEL UND STILLSTAND

Im Ruhrgebietsfußball ist der Bergbau längst Folklore

EINE GESCHICHTE DER KONFLIKTE

Sporthistoriker Blecking über Migration und Mythen

STÄHLERNE RIVALEN

In Sheffield wird die Tradition der Arbeiterstadt noch beschworen

Außerdem im neuen ballesterer

GETRENNT IM TAGEN

Bundesliga und Fans richten eigene Kongresse aus

ENDE DER ÄRA MAREK

Rapids Mann für alles hört auf

INNSBRUCKER INVESTOREN

Wackers Statutenänderung soll den Verein retten

LINZER MACHTVERHÄLTNISSE

Blau-Weiß steckt in der Krise, der LASK ist enteilt

ABSCHIED VON ZWEI GROSSEN

Erinnerungen an Alfred Körner und Theodor Wagner

WER HAT BREMER POLIZEI?

Streit um Einsatzkosten in Deutschland

GRÖSSER ALS ZLATAN

Markus Rosenberg in Malmö

MARKKU, TEEMU & CO.

Warum Finnland zur EM fährt

ANTIFASCHISTISCHE SEERÄUBER

Zu Besuch bei den "Bukaneros" von Rayo Vallecano

KICK AUF KUBA

Impressionen aus dem Estadio Jose Marti in Havanna

TRANSFERLOGIK

Ein Anstoß zum Haaland-Märchen

GROUNDHOPPING

Matchberichte aus Belgien, Deutschland, Panama, Tschechien und Spanien

Foto: ballesterer

Dejan Stankovic ist eine Leoben-Legende.

Foto: GEPA pictures/ Christian Walgram

Das Hüttenwerk Donawitz ist der größte Produzent von Eisenbahnschienen in Europa, die Metallverarbeitung prägt den Leobener Stadtteil aber schon viel länger. Schon im 15. Jahrhundert sollen hier Gesteine aus dem nahen Erzberg weiterverarbeitet worden sein. In den 1970er-Jahren machte sich der Werkssportklub einen Namen und spielte als Donawitzer Sportverein Alpine in der ersten Liga. Als es mit dem "Hochofenballett" ebenso wie mit der staatlichen Industrie langsam bergab ging, kam Mitte der 1980er-Jahre der Stürmer Dejan Stankovic in die Obersteiermark. Er erlebte den Ausstieg der Alpine, die Fusion des Vereins zum DSV Leoben, die letzten Jahre in der Erstklassigkeit und den einzigen Einzug ins Cupfinale der Klubgeschichte.

ballesterer: Hat man den Werksverein Donawitz in der Stadt noch gespürt, als Sie 1986 zum DSV Alpine gewechselt sind?

Dejan Stankovic: Ja, absolut. Das waren die letzten Jahre, in denen die Alpine-Werke noch Hauptsponsor waren. Ich bin ja vom Nobelverein SC Krems gekommen, das war schon ein Unterschied, die Mentalität dort war ganz anders. Als meine Frau die Stadt gesehen hat, hat sie gesagt: "Gut, wir bleiben ein halbes Jahr hier, dann fahren wir wieder nach Hause." Jetzt wohnen wir seit 32 Jahren hier, unsere Kinder sind hier aufgewachsen. Überall war Staub und Dreck vom Werk. Es ist kein Tag vergangen, an dem die Kinder nicht schmutzig vom Spielen nach Hause gekommen sind.

War die große Zeit der Werksspieler damals schon vorbei?

Nein, gar nicht. Wir haben noch einige gehabt. Dietmar Schicker zum Beispiel, unser Rechtsaußen und Kapitän. Amilton Oliveira hat auch in der Werksmaurerei gearbeitet. Die sind direkt aus dem Werk zum Training gekommen. Wir haben nur wenige richtige Profis gehabt wie den Marinko Ivsic und mich. Auch unser Trainer Johann Windisch hat bei den Alpine-Werken gearbeitet.

Das Werk hat die Schichtpläne so gelegt, dass kein Arbeiter zwei Heimspiele in Folge versäumen musste. War die Unterstützung für das Werksteam so groß?

Natürlich. Rechts bei der alten Holztribüne war die Stehplatztribüne. Ich habe dort jedes meiner Tore bejubelt. Da haben 200, 300 Zuschauer Platz gehabt, die Tribüne war immer voll. Und genauso, wie sie uns dort gefeiert haben, haben sie uns von dort auch beschimpft. Da waren schon harte Kerle dabei, manche ganz schön aggressiv. Ich kann mich noch gut an ein Spiel gegen Flavia Solva, also einen steirischen Konkurrenten, erinnern: Wir haben verloren, danach ist die ganze Meute vor unserer Kabine gestanden. Neben meinem Platz war ein Fenster, unser Trainer Max Hofmeister ist da durchgeklettert und davon. Als wir wenig später in die erste Division aufgestiegen sind, sind sie wieder vor der Kabine gestanden. Diesmal, um uns zu feiern.

In der Saison 1990/91 haben Sie den Sprung ins damalige Meister-Playoff geschafft, also unter die besten acht Mannschaften des Landes. Da hat Donawitz sogar gegen Rapid, Austria und den FC Tirol gewonnen.

Und gegen Salzburg! Ich erinnere mich noch an ein Tor gegen Herbert Ilsanker, das ich ihm von der Mittelauflage geschossen habe. Ich habe das sogar noch auf einer VHS-Kassette. Damit ziehe ich ihn manchmal auf, wenn wir uns sehen. Kürzlich habe ich ihn bei einer Trainertagung daran erinnert: "Herbert, weißt du noch?" Er hat nur geantwortet: "Geh, lass mich in Ruhe!" Wir haben damals viel Spaß gehabt, unser Trainer Milan Miklavic hat das gut gemacht.

Hat Spaß gereicht, um erfolgreich zu sein?

Man muss die Donawitzer Mentalität verstehen. Eine Mannschaft ist wie ein Orchester: Es gibt einen Dirigenten, Violinisten und die Trommler. Donawitz hat immer eine Mannschaft gehabt, die für ihr Kämpferherz bekannt war. Zwei, drei Spieler waren für den Fußball zuständig, der Rest für das Kämpfen. Das hat perfekt funktioniert. Diese Mentalität hat man später leider verloren.

Mit der Krise der verstaatlichten Industrie Anfang der 1990er-Jahre ist auch das Ende des DSV Alpine gekommen. War das abzusehen?

Die Alpine hat sich langsam zurückgezogen. Wir haben es gemerkt, als wir plötzlich 20 Prozent weniger Lohn bekommen haben. Bei uns war sowieso niemand ein Großverdiener, von zehn Klubs waren wir vom Verdienst her wahrscheinlich auf Platz neun. Es war aber immer noch genug. Die meisten Spieler waren aus der Gegend und haben mit Herz gespielt, nicht für die Geldtasche. Ich habe damals ein gutes Angebot von VÖEST Linz gehabt, die hätten mir das Doppelte gezahlt, aber ich wollte nicht mehr weg. Auch Spieler wie Amilton Oliveira sind geblieben. Die Präsidenten, vorher Rudi Wieser und dann Anton Hirschmann, waren immer korrekt. Später war plötzlich Geld da, auf einmal sind Spieler um gutes Geld geholt worden, und plötzlich hat Otto Konrad in Leoben gespielt. Da hat man die Werksmentalität endgültig verloren.

War das Cupfinale 1995 gegen Rapid so etwas wie das letzte Aufbäumen des alten Werksvereins?

Wenn man so will, ja.

Wie sehen Sie den Verein heute?

Es ist schade, dass er nur noch in der Landesliga spielt. Einer unserer stärksten Rivalen, Kapfenberg, spielt seit Jahren oben mit. Die waren eigentlich immer weit hinter uns. Daran sieht man, dass man Fehler gemacht hat. Die Spiele gegen Sturm und den GAK waren natürlich auch ein Traum, da war das Stadion immer voll. Bei einem meiner letzten Spiele für den DSV waren 11.000 Zuschauer in der Gruabn.

Auch die Stadt Leoben hat sich verändert.

Und wie. Die Stadt ist wunderschön geworden. Sogar der Stadtteil Donawitz, in dem wir früher Staub gefressen haben. Auf den alten Anlagen des Werks sind jetzt Grünflächen, es gibt Fußgängerzonen und Einkaufszentren. Es ist schön hier. (Clemens Gröbner, 7.2.2020)