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Therapeutin Rotraud A. Perner wirbt unermüdlich für ihre Idee eines Alfred-Adler-Preises. Ein Vorbild wäre der Leo-Perutz-Preis: "Ich möchte österreichische Literatinnen einfach motivieren."

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Der humanistische Nutzen von Alfred Adlers Individualpsychologie muss jedem Menschen, der guten Willens ist, schlagartig einleuchten. Als gelernter Armenarzt überwarf sich der Wiener 1911 mit seinem Vorbild Sigmund Freud.

Adlers eigenes Konzept der Seelenheilkunst nimmt sich tatsächlich bei weitem nüchterner aus als die Freud’sche Neurosenlehre: Sie ist bescheidener und zugleich praxisnäher. Adlers Theorie rechnet mit dem Menschen. Aber sie besteht völlig unbeirrbar auf seine Befähigung, sich mit anderen zusammenzutun, um gemeinsam, kooperativ, ein gutes Leben für alle zu schaffen.

Nicht der Ursachenforschung galt Adlers primäres Erkenntnisinteresse. Als Anthropologe ohne Illusionen verschloss er nur nicht die Augen vor dem Geburtshandicap von uns Menschen: der überwältigenden Ausgangserfahrung, minderwertig zu sein. Heute, Freitag, vor 150 Jahren wurde Alfred Adler in Wien-Rudolfsheim geboren. Seine Individualpsychologie gehört nicht nur zum Erbe heimischer Arbeiterkultur. Sie hat vor allem im angelsächsischen Raum Karriere gemacht, ihrem Begründer Ruhm beschert, der inzwischen nur leider ein wenig verblasst ist.

Humanistischer Impuls

Der Impuls, im Namen dieses Wohltäters und Weisen humanistisch wirksam zu werden, treibt noch heute Verbündete im Geiste um. So zum Beispiel die heimische Juristin und Psychotherapeutin Rotraud A. Perner. Sie hätte gerne einen Preis im Namen Adlers ausgelobt gesehen (Adler selbst starb 1937 in Aberdeen).

Die Gewaltforscherin und evangelische Theologin Perner umtriebig zu nennen, wäre konturlos. Perners Idee für einen "Alfred-Adler-Preis für Texte gegen Gewalt" ruft noch einmal zentrale Adler’sche Errungenschaften massiv ins Gedächtnis zurück. Adler sagte: Ein grundsätzliches Minderwertigkeitsgefühl bildet die Mitgift jedes Menschenkindes, das noch nicht voll entwickelt ist. Aber gerade weil jeder von uns dazu verdammt ist, sozial zu handeln, huldigt er oder sie dem "Gemeinschaftsgefühl".

Menschen folgen, häufig unbewusst, "geheimen Lebensplänen". Aufgedeckt gehört der Zwangscharakter ihres Handelns – nämlich dann, wenn sie sich "vertikal" austoben. Wenn ihre Selbstverwirklichungsenergien sich aggressiv gegen Mitmenschen richten. Adler wusste über die Glutkerne von Gewalt gut Bescheid. Und er trat rigoros für die Gleichstellung der Geschlechter ein.

Perner wirkte zwischen 2010 und 2012 mit am "Bündnis gegen Gewalt", das, über Parteigrenzen hinweg, u.a. von der damaligen Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) ins Leben gerufen worden war. Schon damals scheiterten Pläne, im Namen Adlers gegen Gewalt zu mobilisieren. Perners Konzept landete, trotz Finanzierungszusage einer niederösterreichischen Bank, in der Schublade. Sie glaubt, damals auch an ministeriellen, bürokratischen Hürden gescheitert zu sein.

Vorderhand ohne Erfolg

Eine eilige Kontaktaufnahme Rotraud Perners mit dem Büro von Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek war vorderhand (noch) nicht von Erfolg gekrönt. Heute sagt Perner: "Ein solches Preisgeld könnte fünftausend Euro ausmachen. Die Gelegenheit, Adlers 150. Geburtstag für die Auslobung zu nutzen, ist vertan." Doch Gewalt, so steht zu befürchten, wird es ohnehin weiterhin geben.

Perner: "Mir scheint wichtig, die Leute über das Thema Gewalt zum Nachdenken zu bringen. Warum sollte sich nicht ein Herr Androsch, ein Herr Haselsteiner für die Patronage über ein solches Projekt hergeben? Oder der Herr Bildungsminister?" (Ronald Pohl, 7.2.2020)