Die Seele der Band Gossip, Beth Ditto, ist eine der 130 in "These Girls" vorgestellten Musikerinnen.

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Feminismus ist wie alles Politische ein Schlachtfeld. Stark divergierende Meinung, wie er zu sein habe, gab es unter seinen Anhängern immer. Wie Diskurse heute online miteinander oder eher gegeneinander geführt werden, verstärkt das Gefühl einer stärker werdenden Zerspaltung, nicht nur unter jenen, die dem Feminismus ohnehin schon unwohl gesinnt sind. Die Gleichheitsfeministen gegen die Differenzfeministen, die Marxisten gegen die Neoliberalen. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen.

Eines der positiven Phänomene, das die aktuelle Welle des Feminismus zusammen mit einer Mode, nämlich dem Wieder- und Neuentdecken von vergessenen Koryphäen, zutage gefördert hat, ist die Beschäftigung mit Werken vergessener Frauen. Nicht nur zeitgenössische Künstlerinnen bekommen mehr Aufmerksamkeit, es wird eine regelrechte Archäologie von Künstlerinnen betrieben, deren Schaffen in der Vergangenheit unter den Teppich gekehrt oder gar nicht erst beachtet wurde. In Ausstellungen und Retrospektiven, in Publikationen und auf Panels werden diese Frauen wiederentdeckt.

130 Minitexte

Auch der jüngst im stark der Popkultur verschriebenen Mainzer Ventil-Verlag erschienene Band These Girls – Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte schlägt in diese Kerbe und stellt in 130 kurzen Porträts ebenso viele Musikerinnen vor. Der Untertitel des Buchs wird aufmerksame Leser etwas in die Irre führen – so hätten und haben sich sicherlich nicht alle der vorgestellten Frauen als Feministinnen bezeichnet, es sind eher die Autoren und Autorinnen, die den Musikerinnen mit einer feministischen Lesart zu Leibe rücken.

Das ist auch sinnvoll, denn ein Gesamtbild der Musikerinnen zu zeichnen, zu denen Größen wie Nina Simone, Kate Bush oder Madonna gehören, wäre mittels der Minitexte auch gar nicht möglich gewesen. Einige biografische Angaben, dann geht es gleich ans Eingemachte – mit sehr durchwachsenen Ergebnissen.

Zu viele der Porträts sind keine solchen, sondern schlechtere Wikipedia-Einträge, andere hätten sich einfach nur über ein Lektorat gefreut. Manche reproduzieren unabsichtlich mehr Klischees, als sie zu widerlegen suchen.

Wo Schätze gehoben werden

Spannend ist These Girls dort, wo tatsächlich Schätze gehoben werden und eine männlich dominierte Musikgeschichtsschreibung korrigiert oder ergänzt wird. Vera Kropf, unter anderem selbst als Musikerin tätig, referiert schwärmerisch, aber sachkundig über die Surfmusikerin und Gitarrenvirtuosin Kathy Marshall. Eine Anne Dudley, zuständig für die Kompositionen hinter den Produktionen von Trevor Horn, jenem Mann, der die 80er erfunden haben soll, wird von Maurice Summen in die erste Reihe geholt.

Hätte man sich bei dem Buch ganzheitlich auf bis heute kaum beachtete Künstlerinnen fokussiert, wäre es stringenter, spannender und lehrreicher ausgefallen. So stehen 130 musizierende Frauen nebeneinander, die sonst oft genau gar nichts miteinander gemein haben. Trotz der löblichen Intention hinter dem Buch würde das vielen der hier porträtierten "Girls" zu Recht sauer aufstoßen. (Amira Ben Saoud, 7.2.2020)