Die Oppositionsparteien forderten Justizministerin Alma Zadić (Grüne) auf, die Staatsanwälte zu verteidigen.

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Angriffe der ÖVP, gar einen Umbau der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKstA)? Das werde es nicht geben, versicherten hochrangige Grüne noch vor einigen Tagen. Die Justiz sei klar die Domäne von Ministerin Alma Zadić, sie sei auch für jegliche Reform der WKStA zuständig – und eine solche plane sie nicht.

In der Debatte über die kolportierten Äußerungen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wird es nun einen runden Tisch im Kanzleramt geben. Thema des Treffens sollen "Defizite und Verbesserungspotenziale" in der WKStA sein, heißt es.
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Doch am Donnerstag ergriff Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gemeinsam mit Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) die Initiative. Er lud Zadić und Justizvertreter zu einem runden Tisch zur "Causa WKStA", wie Kurz das Thema nun nennt. Es sollte um "Defizite und Verbesserungspotenzial" gehen. Wie rasch Kurz das Thema an sich gezogen hat, hatte die Grünen überrumpelt. Sie reagierten am frühen Donnerstagabend: Es werde keinen "runden Tisch" geben, vielmehr lade Zadić zu einer Aussprache, hieß es dann. Diese soll schon am Montag stattfinden.

Schon gehört? Wieso Kurz die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angreift.

Die Grünen hatten ursprünglich gehofft, Unstimmigkeiten im Justizbereich kleinzuhalten, um den dann doch wahrnehmbaren Ärger der ÖVP über die Casinos-Ermittlungen langsam abklingen zu lassen. Das haben mehrere Ereignisse verhindert: Erstens brachte Sektionschef Christian Pilnacek die Casinos-Affäre wieder in die Schlagzeilen, weil er zwei Beschuldigte im Ministerium empfangen hatte – Zadić reagierte darauf mit einer Weisung, dass von Treffen mit Beschuldigten abzusehen sei. Zweitens wurde publik, dass Kurz in einem Hintergrundgespräch harsche Kritik an der WKStA geübt habe: Diese agiere parteipolitisch und spiele Informationen nach außen, behauptete Kurz am 20. Jänner.

Außerdem dauerten Verfahren zu lange, wodurch das Leben unschuldi ger Beschuldigter erschwert werde. Gemeint ist damit nicht nur Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), gegen den die WKStA in der Casinos-Affäre ermittelt, sondern auch Mitarbeiter Arno M., der Festplatten schredderte. Am Donnerstag wiederholte Kurz diese Vorwürfe öffentlich, dem Vernehmen nach allerdings etwas höflicher formuliert als in dem Hintergrundgespräch.

WKStA wehrt sich

Nach einigem Zögern wehrte sich die WKStA gegen diese Anschuldigung, ohne deren Urheber zu nennen: Man entziehe sich keiner sachlichen Kritik, verwehre sich aber gegen unsubstantiierte Vorwürfe, hieß es in schönem Juristendeutsch.

"Öffentliche Spekulationen, die den Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses und den Anschein parteipolitischen Handelns in den Raum stellen, weisen wir entschieden zurück", so die WKStA. Außerdem stellt die Behörde klar, dass ihre Leiterin Ilse Vrabl-Sanda "kein Mitglied einer Partei" sei und "auch kein Naheverhältnis zu einer solchen" habe. Zuvor hatte sich bereits die Ministeriumsspitze vor die WKStA gestellt. Und auch Sektionschef Pilnacek, der in der Vergangenheit als Kritiker der Korruptionsjäger auftrat, lobte deren Arbeit.

"Ich habe den Eindruck, dass sich die WKStA mit größtem Elan einer effizienten Verfahrensführung in den von ihr geführten großteils komplexen und herausfordernden Verfahren widmet", sagte Pilnacek vergangenen Sonntag dem STANDARD.

Opposition schlägt Alarm

Die Oppositionsparteien zeigen sich von den aktuellen Vorgängen empört und besorgt. Die SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim betonte, "stolz auf die unabhängigen Staatsanwälte" zu sein. Sie verwies in einem Pressegespräch darauf, dass Verfahren ja oft auch lange dauern, weil Anwälte von Beschuldigten bestimmte Maßnahmen ergreifen.

Außerdem seien Wirtschaftsverfahren komplex und wiesen teilweise internationale Verflechtungen auf. Für schnellere Verfahren sei vor allem eine bessere Ausstattung der Justiz erforderlich, so Yildirim, die sich eine Entschuldigung von Kurz bei der WKStA erwartet. Die SPÖ forderte außerdem erneut die Schaffung eines weisungsfreien Bundesgeneralanwalts, der auf zwölf Jahre bestellt werde. Verärgert zeigten sich auch die Neos. "Erst schießt der Kanzler in einem Hintergrundgespräch die unabhängige Justiz mutwillig an, dann will er die Probleme, die er selbst geschaffen hat, lösen und führt damit die zuständige Justizministerin vor", sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.

Die FPÖ sprach von "Dreistigkeit". "Nun geht man noch unverhohlener vor und macht ausgerechnet die wichtigste Behörde zur Verfolgung politischer Korruption zum Ziel der ÖVP-Attacken", so Generalsekretär Michael Schnedlitz – das ist bemerkenswert, da die WKStA in der Causa auch gegen zwei Abgeordnete der FPÖ ermittelt.

ÖVP kritisiert Opposition

Kritik der Opposition nicht verstehen: "Ich würde den beiden Oppositionsparteien empfehlen, Abstand davon zu nehmen, vom Bundeskanzler Gesprächsverweigerung einzufordern."

Schon vor der Änderung auf eine "Aussprache" statt eines "runden Tisches" war die Standesvertreterin der Staatsanwälte zu Kurz eingeladen worden. ´

Bei der Aussprache mit Zadić sollen dann vor allem die im Regierungsprogramm festgesetzten Ziele besprochen werden – und die Frage, wie man die WKStA "stärken" könne, so das Justizministerium. (Fabian Schmid, 6.2.2020)