Über Voestalpine brauen sich dunkle Wolken zusammen. Schwache Konjunktur und US-Strafzölle setzen auch dem Rohrwerk im steirischen Kindberg zu, dort droht Kurzarbeit.

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Wien – Im Böhler-Werk in Kapfenberg ist es der Voestalpine vorerst gelungen, Kurzarbeit zu vermeiden. In Kindberg, wo der Stahl- und Verarbeitungskonzern hochqualitative Nahtlosrohre für die Öl- und Gasförderung herstellt, dürfte das nicht der Fall sein. Den rund 1150 Mitarbeitern der Voestalpine Tubular GmbH steht Kurzarbeit ins Haus. Das erfuhr DER STANDARD in Aufsichtsratskreisen.

Auch den Beschäftigten sei bereits signalisiert worden, dass man angesichts der schlechten Auftragslage mit Überstunden- und Urlaubsabbau nicht das Auslangen finden werde. Im Vorjahr war die Produktion in Kindberg, wie berichtet, im August vom hochkonjunkturellen Vierschichtbetrieb auf drei Schichten reduziert worden, also auf Normalbetrieb.

Schwache Auftragslage

Konzernchef Herbert Eibensteiner verwies am Donnerstag bei Vorlage der Neunmonatszahlen auf die unverändert schwache Auftragslage und die US-Strafzölle, mit denen Nahtlosrohre aus dem mit US-Partner NOV Grant Prideco betriebenen Werk Kindberg belegt werden. Man bekomme nur zum Teil Ausnahmen von den Importzöllen ("Section 232") und erwarte in nächster Zeit keine Verbesserungen, sagte Eibensteiner in einer Telefonkonferenz.

Die Rückgänge im US-Geschäft seien auf anderen Märkten wie Russland oder Saudi-Arabien kaum zu kompensieren, heißt es. Auch in den nächsten sechs Monaten sei mit einem hochvolatilen Markt zu rechnen.

Dritte Schicht absichern

Kurzarbeit sei eines von mehreren Instrumenten, die man prüfe, um die schwierige Zeit zu überbrücken und die dritte Schicht des Werks abzusichern, die Beschäftigten im Betrieb zu halten und Kündigungen zu vermeiden, betonte ein Voest-Sprecher auf Anfrage des STANDARD. "Ob und wann wir in Kindberg Kurzarbeit einführen müssen, ist noch offen. Bis Mitte Februar werden wir diese Entscheidung treffen."

In den kommenden zwei Wochen stehen also Gespräche mit Betriebsrat, Sozialpartnern und Arbeitsmarktservice an, um eine Vereinbarung über die zeitweise Anwendung von Kurzarbeit ab März 2020 für bis zu 950 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erzielen, teilte Voestalpine mit. Diesen "maximalen Rahmen" hofft man nicht ausschöpfen zu müssen.

Die schwache Nachfrage nach Öl und Gas lässt auch die Nachfrage nach Equipment für die Förderung sinken.
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Kurzarbeit ist in Österreich auf wirtschaftliche Krisenzeiten und eine Dauer von sechs Monaten beschränkt und kann um ein halbes Jahr verlängert werden. Je nach Bedarf kann die Arbeitszeit der Mitarbeiter um zehn bis 90 Prozent der Wochenarbeitszeit reduziert werden, das niedrigere Entgelt wird mit der vom AMS gewährten Kurzarbeitsbeihilfe (orientiert sich an der Höhe des Arbeitslosengeldes) aufgestockt. Darüber hinaus werden Aus- und Weiterbildung gefördert.

Millionen an Sonderabschreibungen

Kindberg ist nicht die einzige Baustelle der Voest. Die schwächelnde Autobranche und niedrige Stahlpreise bei gleichzeitig hohen Erz- und Rohstoffpreisen haben die Voest in den ersten neun Monaten des bis Ende März 2020 laufenden Geschäftsjahres in die Verlustzone gedrückt. Nach einem Gewinn von 281,3 Millionen Euro stehen nun 160 Mio. Euro Verlust in der Bilanz.

Insgesamt 270 Millionen Euro an Sonderabschreibungen mussten auf das Eisenpelletswerk in Corpus Christi in Texas, das Problem-Autowerk in Cartersville in den USA, Buderus Edelstahl in Deutschland und die Gießereigruppe vorgenommen werden.

Bei einem um 3,8 Prozent auf 9,6 Milliarden Euro abgeflachten Umsatz fiel ein operativer Verlust (Ebit) von 82,3 Millionen Euro an – im Vorjahreszeitraum standen dort noch 525 Millionen Gewinn.

Zwangsurlaub in Werken in China

Damit nicht genug. Bis 9. Februar sind wegen der Coronavirus-Krise auch noch neun Werke in China (Umsatzvolumen rund 550 Mio. Euro) auf Zwangsurlaub. Ob der behördlich verordnete Stillstand nächste Woche verlängert wird, sei offen. Mit rund 45 Millionen Euro schlägt der Produktionsstopp bei der Boeing 737-Max zu Buche. Für das Gesamtjahr gibt sich Voest-Chef Eibensteiner dank stabiler Entwicklung der Division Bahnsysteme dennoch optimistisch, er erwartet das Ebit "gerade noch positiv".

Rohre für die Öl- und Gasindustrie

Voestalpine Tubulars ist ein Joint Venture mit dem amerikanischen Konzern NOV Grant Prideco, einem der weltgrößten Produzenten von Drill-Pipe- und anderen Drilling-Produkten. Am Standort Kindberg werden einbaufertige Förderrohre für die Öl- und Gasindustrie sowie Nahtlosrohre für Automotive, Energieerzeugung, Anlagen- und Energietechnik gefertigt. Im Geschäftsjahr 2018/19 wurde mit 1.100 Mitarbeitern ein Umsatz von 534 Millionen Euro erwirtschaftet.

Strategisch verfolgt das Unternehmen eine Ausweitung der Absatzregionen, um die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren, und gleichzeitig eine weitere Differenzierung seiner Produkte, um den Wettbewerbsdruck zu verringern. In den vergangenen fünf Jahren wurden mehr als 120 Millionen Euro in Qualitätssteigerung und Weiterverarbeitung der High-Tech-Nahtlosrohre investiert.

"Keine Überlegungen" zu Verkauf

Gerüchte über einen allfälligen Ausstieg aus der Gemeinschaftsfirma weist die Voestalpine zurück: Für einen Verkauf des Hälfteanteils an Voestalpine Tubulars GmbH gebe es weder Beschlüsse noch irgendwelche Überlegungen. "Ganz im Gegenteil, wir als Voestalpine sehen im Bereich Nahtlosrohre international weitere Wachstumsmöglichkeiten", versicherte ein Voest-Sprecher am Donnerstag. (Luise Ungerboeck, 6.2.2020)