Der Mann ist schwer zu fassen. Einen Termin mit Heinz Rüdiger Schimanko, Eigentümer des berühmtesten Stundenhotels im Lande, zu finden? Schwierig. Seit er mit seiner Schwester Michaela auch die Eden Bar führt und Sprecher der Nachtgastronomie wurde (Bars, Clubs, Discos mit Kernbetriebszeit zwischen 22 und sechs Uhr), reißt es ihn auch tagsüber um. Also: Interview ab 22.30 Uhr. Natürlich in der Eden.

STANDARD: Die Eden war 2018 insolvent, Sie haben Geld reingepumpt und führen die Bar nun mit Ihrer Schwester. Sind Bars nicht out? Junge Leute gehen in Clubs, Discos, zu Clubbings.

Schimanko: Ich bin auf den Plan getreten, als meine Schwester verkaufen wollte – das wollte ich verhindern, die Eden ist doch ein Wahrzeichen. Ja, junge Menschen gehen eher in laute Discos und Clubs, aber je älter man wird, desto eher findet man Gefallen an gediegener und erwachsener Unterhaltung. Ich selbst musste auch 30 werden, um die Eden richtig schätzen zu können.

STANDARD: Sie wurden jüngst Sprecher der Nachtgastronomie. Wie lebt man als Nachtgastronom?

Für Heinz Rüdiger Schimanko ist das Rauchverbot in seiner Branche "fast eine Schikane".
Foto: Regine Hendrich

Schimanko: Ich bin seit zehn Uhr bei Terminen und werde um sechs Uhr in der Früh heimkommen. Mein Vater hat mich früh zum Training mitgenommen, Trainieren und Sport sind ein wichtiger Ausgleich. Und man braucht einen Partner, der für die Besonderheiten des Jobs Verständnis hat, meine Frau hat es. Wenn sie aufsteht, geh ich schlafen. Aber ich arbeite gern so, mir taugt das.

STANDARD: Ihr Vater Heinz Werner starb 2005, Sie erbten mit 25 das Orient, Ihre Schwester die Eden. Wie war das, als Sie Kinder waren? Die anderen sagten: "Mein Papa arbeitet in der Bank", Sie: "Mein Papa ist Nachtclubkönig"?

Schimanko: Das hat eh jeder gewusst. Mein Vater war eine schillernde Persönlichkeit, besaß Orient, Moulin Rouge, Eve-Bar – was die Rotlichtszene ist, hab ich damals nicht gewusst. In den 1990ern zog er sich aus diesem Geschäft zurück, das war gut so. Dieses Geschäft war nicht mehr seriös zu führen, sagte er.

STANDARD: In der Eden war "tout le monde" zu Gast, von Kreisky über Romy Schneider, den Schah bis zu Niki Lauda. Die Promizeit ist vorbei – oder kommt Kanzler Kurz?

Schimanko: Käme Kurz hierher, wäre das längst in Social Media gelandet. Ich bin altmodisch, mir ist Diskretion wichtig. Deswegen gibt es bei uns nirgends Kameras, im Gegensatz zu anderen Hotels, Bars, Clubs. Da ist alles voll mit Kameras, das ist das Ende der Privatsphäre.

STANDARD: Als Nachtgastronomie-Sprecher werden Sie wohl gegen das Rauchverbot kämpfen?

Schimanko: Ich werde mich für eine zufriedenstellende Lösung für die Nachtgastronomen einsetzen. Da investieren Leute Geld, eröffnen Lokale – und plötzlich erklärt man das für illegal? Wozu? Dafür, dass wir fleißige Menschen in ihren Rechten beschneiden, ihnen die Lebensgrundlage nehmen, Arbeitslose produzieren und Steuereinnahmen reduzieren? Entscheidungen wie das Rauchverbot sind Schildbürgertum.

STANDARD: Es geht nicht zuletzt um Arbeitnehmerschutz ...

Schimanko: Reine Augenauswischerei, Populismus und pure Propaganda. Jeder meiner Angestellten raucht. Die Kellner ärgert es, dass sie nicht mehr an der Bar schnell eine rauchen können, sondern vor die Tür müssen und ihren Tisch nicht mehr im Blick haben. Diese übertriebene Bevormundung ist in meinen Augen bedenklich. Es steht jedem frei, nicht in ein Raucherlokal zu gehen oder woanders zu arbeiten. Wir sind doch mündige Menschen. Da tobt man sich auf dem Rücken der Unternehmer aus: extremer Arbeitnehmerschutz, für die Unternehmer hohe Steuerlast und absurde Vorschriften. Frechheit.

Die Auswirkungen des Rauchverbots in der "Nachtgastronomie" wird man laut Schimanko erst ab dem Frühling so richtig merken.
Foto: Heribert Corn

STANDARD: Wo orten Sie solche absurden Vorschriften?

Schimanko: Als ich das Orient übernahm, hab ich sehr viel investiert, ins Haus wie ins Hotel. In die Aufzugsanlage ließ ich neue Drahtseile einbauen, obwohl mir attestiert wurde, dass das noch nicht nötig ist. Dann kommt der Mann vom TÜV und sagt: "Herr Schimanko, es gibt keine Sicherheitsbedenken bei Ihrem Lift, aber im August muss ich ihn sperren, weil er die EU-Verordnung dann nicht mehr erfüllt." Ich musste über 40.000 Euro ausgeben, um absurde Vorschriften zu erfüllen. Die wunderschönen, facettengeschliffenen Bleiglasscheiben mit weißem Plexiglas zukleben.

STANDARD: Ist vielleicht sicherer?

Schimanko: Das schützt vielleicht jemanden, der auf die Idee kommt, im Lift Handstand zu üben, dabei mit der Ferse das Bleiglas durchstößt und mit dem Fuß im Liftschacht hängen bleibt. Oder in der Küche: Da muss ein Infoblatt hängen, auf dem steht: Die Kochplatte ist heiß. Bitte? Diese Bevormundung beschneidet jede Form selbstständigen Denkens.

STANDARD: Das Rauchverbot ist das größte Problem der Branche?

Schimanko: Derzeit ja. Die rigorose Nichtraucherregelung zwingt der Nachtgastronomie unvertretbare Bürden auf. In der Eden sind 80 Prozent aller Gäste Raucher. Es ist Tradition, dass man nach Bällen in die Eden geht. Aber es kann doch nicht sein, dass ich eine Dame im Ballkleid bei Minusgraden für jede Zigarette in die Kälte schicken muss. Das ist eine Einschränkung der Lebensqualität, fast eine Schikane.

STANDARD: Die Damen werden sich halt einen Mantel anziehen?

Schimanko: Schon, aber es wurde viel ungemütlicher, weil die Leute ständig raus- und reinlaufen, und an der Garderobe ist ein Riesenarbeitsaufwand entstanden. Die richtigen Auswirkungen des Rauchverbots werden wir überhaupt erst ab dem Frühling spüren: wenn die Gäste nur noch in den Gärten oder sonst wo draußen sitzen, wo sie rauchen können. Niemand wird mehr ausgehen.

Das Personal im Hotel Orient am Tiefen Graben in Wien wird nicht zuletzt für seine Diskretion bezahlt, sagt der Hotelchef.
Foto: Gregor Auenhammer

STANDARD: Hoteliers und Gastronomen tun sich schwer, Personal zu bekommen. Sie auch?

Schimanko: Ich pflege eine sehr, sehr familiäre Personalführung. Im Orient habe ich eine Rezeptionistin, die seit mehr als 30 Jahren da arbeitet. Ob Stubenmädchen oder Kellner: Sie gehen bei uns in Pension. Kellner Peter war mehr als 40 Jahre bei uns. Ich habe dieses Personalproblem also Gott sei Dank nicht.

STANDARD: Herr Peter könnte sicher ein interessantes Buch schreiben. Ohne Namen zu nennen halt.

Schimanko: Müsste er ja nicht. Die Leute, die dabei waren, würden sich schon auskennen.

STANDARD: Wer sich erinnert, war nicht dabei.

Schimanko: Stimmt auch wieder.

STANDARD: Zahlen Sie besser, um Ihr Personal zu halten?

Schimanko: Bei uns geht’s allen gut. Jedes Stubenmädchen im Hotel verdient mehr als so mancher Akademiker. Ich will keine Fluktuation, muss mich auf meine Leute verlassen können. In der Eden und ganz speziell im Orient ist Diskretion gefragt.

STANDARD: Wie prüft man die Diskretion der Mitarbeiter?

Schimanko: Ich hab auch ein paar prominente Kunden: Dringt über die nichts raus und entsteht kein Gerede, weiß ich, dass die Diskretion funktioniert. Und Mystery-Shopping: Da gibt man einem Bekannten 500 Euro und bittet ihn: "Komm in mein Lokal, gib die 500 aus und prüf das Personal."

STANDARD: Im Stundenhotel auch?

Schimanko: Ja. Wobei, im Hotel kenn ich mich ja selbst bestens aus. Ich stand ja am Anfang nicht nur selbst an der Rezeption, sondern habe auch Stubenmädchen- und Zimmerservicedienst gemacht und die Zimmer geputzt.

STANDARD: Was hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?

Schimanko: Die Geschäftsführung.

"Nachtclubkönig" Werner Schimanko (gestorben 2005) war zunächst auch im Rotlichtmilieu tätig, in den 1990ern stieg er aus.
Foto: Christian Fischer

STANDARD: Ist das Orient mit seinen 20 Zimmern eine Goldgrube? Zahlen verraten Sie ja nicht.

Schimanko: Gemessen an der Anzahl der Zimmer bin ich recht überdurchschnittlich unterwegs. Aber ich verkaufe ja nicht einfach drei Stunden in einem Hotel, sondern ich schaffe Erlebnisse.

STANDARD: Apropos. Einst hat’s gebrannt, mussten da alle Gäste im Bademantel auf die Straße? Stelle ich mir recht spannend vor.

Schimanko: Das ist lang her, ein Zimmer brannte, aber aufregend war’s nicht. Die Rezeption ist ja rund um die Uhr besetzt, Tag und Nacht sind Zimmermädchen da. Da passiert nichts unbemerkt.

STANDARD: Was ist das größte Problem in einem Stundenhotel?

Schimanko: Die Frage habe ich mir noch nie gestellt. Am meisten beschäftigen mich Behördenauflagen. Jetzt grad der Brandschutz: Ich habe das ganze Hotel verkabelt für Brandmelder und muss das System trotzdem ausweiten. Das ist lächerlich: Das Haus ist eine halbe Minute von der Hauptfeuerwache entfernt, rund um die Uhr besetzt – und bei uns schlafen die Leute doch nicht! Normalerweise.

Mops Wilma könnte in Schimankos Hundepension unterkommen. Tageweise.
Foto: APA/dpa/Kirchner

STANDARD: (lacht) Sie sind an einer Hundepension beteiligt. Vergleichsweise teuer: Ein Tag für einen Problemhund in einer klimatisierten Unterkunft kostet 50 Euro. Drei Stunden im Orient-Zimmer "Schwarze Tulpe" kosten 63 Euro.

Schimanko: Vielleicht sollte ich die Preise im Orient anheben. (Renate Graber, 9.2.2020)