Bombus impatiens zählt zu den häufigsten Hummeln Nordamerikas, aber auch diese Art leidet unter den Wetterextremen des Klimawandels.
Foto: Antoine Morin

In unserer Kindheit waren die Winter stets schneereich und die Sommerwiesen voller Schmetterlinge und Hummeln." Sätze wie diesen hört man in den letzten Jahren immer häufiger. Über die etwas verklärende Schneeaussage lässt sich vermutlich streiten. Klar ist allerdings, dass die Durchschnittstemperaturen auch in den Wintermonaten heute höher sind als noch vor 40 Jahren. Was Schmetterlinge und Hummeln betrifft, ist die Sache eindeutig: Das Insektensterben ist Tatsache, und Schuld ist auch daran zumindest zum Teil der Klimawandel. Hinzu kommen Umweltverschmutzung und die Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft, die den Krabbeltieren die Lebensräume und Nahrungsgrundlagen entziehen.

Eine Studie, die australische Forscher vor einem Jahr vorgestellt haben, zeichnet ein drastisches Zustandsbild: Binnen zehn Jahren habe die Biodiversität der Insekten weltweit um ein Viertel abgenommen, schrieben die Wissenschafter im Februar 2019 im Fachjournal "Biological Conversation". Entsprechend düster sieht die Zukunft der Insekten aus. Vieles deutet darauf hin, dass 40 Prozent aller Arten in den nächsten Jahrzehnten verschwinden werden. Kein Wunder also, dass vom sechsten Massenaussterben der Erdgeschichte die Rede ist, der größten und am schnellsten ablaufenden globalen Krise der Artenvielfalt, seit ein Asteroid vor 66 Millionen Jahren das Zeitalter der Dinosaurier beendet hat.

Klimachaos als Bedrohung

Welche Rolle der Temperaturanstieg dabei spielt, hat nun ein internationales Team unter der Leitung von Peter Soroye und Jeremy Kerr von der University of Ottawa (Kanada) herauszufinden versucht. Dabei gelang es den Forschern am Beispiel der Hummeln sogar, das Risiko für das Aussterben einer konkreten Art zahlenmäßig zu erfassen. "Wir wissen seit einiger Zeit, dass der Klimawandel mit dem wachsenden Aussterberisiko vieler Spezies zusammenhängt", sagt Soroye. "In unserer Studie geben wir eine Antwort auf die Frage, warum das so ist: Und zwar stellten wir fest, dass das Artensterben auf zwei Kontinenten durch häufigere Temperaturextreme verursacht wird."

Video: Der Rückgang der Hummeln in Europa und Amerika hat unmittelbar mit häufiger auftretenden Hitzewellen zu tun.
Peter Soroye, University of Ottawa

Hummeln gelten in der freien Natur als die wichtigsten Bestäuber. In der Kulturlandschaft sind sie bei Nutzpflanzen wie Tomaten, Kürbissen und vielen Beerensorten besonders effektiv. "Aber wenn es so weitergeht, blicken wir einer Zukunft mit deutlich geringerer Vielfalt unter den Hummeln und schließlich auch auf unseren Tellern entgegen", so Soroye. Verantwortlich dafür sei vor allem das "Klimachaos", also das immer häufigere Auftreten von Extremereignissen wie Hitzewellen und Dürren. Aufgrund der unterschiedlichen Temperaturtoleranzen haben diese Extreme auch nicht auf alle Arten dieselben Auswirkungen.

Berechnetes Aussterberisiko

"Also haben wir eine Methode entwickelt, mit der sich das lokale Aussterberisiko für die einzelnen Hummelarten berechnen lässt", erklärt Tim Newbold (University College London), Koautor der im Fachblatt "Science" erschienenen Studie. "Damit können wir für jede Art einzeln feststellen, ob der Klimawandel an einem bestimmten Ort Temperaturen erzeugt, die über das hinausgehen, was die Hummeln bewältigen können." Grundlage des Verfahrens sind Daten zu 66 Hummelarten in Nordamerika und Europa (von weltweit rund 250), die über einen Zeitraum von 115 Jahren (1900–2015) gesammelt wurden.

Die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris) ist eine der größten und häufigsten Hummeln Europas – doch auch ihre Populationen schrumpfen.
Foto: Holger Casselmann

Durch die Analyse dieses umfangreichen Datenschatzes konnten die Wissenschafter bestätigen, dass die Populationen tatsächlich in Gebieten verschwinden, wo die Temperaturen durchschnittlich deutlich höher geworden sind. "Darauf und auf aktuellen Messungen basierend ist es uns gelungen, die Populationsveränderungen sowohl für einzelne Arten als auch für ganze Hummelgemeinschaften mit einer überraschend hohen Genauigkeit vorherzusagen", sagt Soroye. Insgesamt ergab die Untersuchung, dass die Wahrscheinlichkeit für das Überleben einer Hummelpopulation an einem bestimmten Ort im Laufe einer einzigen Menschengeneration im Schnitt um 30 Prozent gesunken ist.

Vielseitige Methode

Die Methode ist nicht auf Hummeln allein beschränkt. Für Soroye liefert sie die Basis dafür, auch die Wahrscheinlichkeit für das klimawandelbedingte Aussterben anderer Arten wie Reptilien, Vögel und Säugetiere zu verfolgen. "Mit einem solchen Prognoseinstrument hoffen wir letztlich, Bereiche zu identifizieren, in denen wir mit rechtzeitigen Erhaltungsmaßnahmen Populationsrückgänge stoppen können", sagt Soroye. "Und zwar je früher, desto besser. Das liegt nicht nur in unserem Interesse, sondern vor allem im Interesse aller Arten, mit denen wir uns diese Welt teilen." (Thomas Bergmayr, 7.2.2020)