Irina Sadovnik hat Oberflächenproteine von leukämischen Stammzellen im Visier.

Foto: Gabriele Stefanzl

Die Blutzellen im menschlichen Körper werden durch reife Stammzellen, die aus dem Knochenmark hervorgehen, ständig erneuert. Es kann aber vorkommen, dass die Entwicklung der Zellen eine falsche Richtung nimmt – etwa wenn ein spezielles Protein mit der Bezeichnung BCR-ABL1, das aus Chromosomenteilen gebildet wird, Teil der Stammzellen wird. Dann gerät die Zellteilung außer Kontrolle, und das Kreislaufsystem wird mit weißen Blutkörperchen geflutet. Die Diagnose lautet dann chronisch myeloische Leukämie (CML).

Irina Sadovnik beschäftigt sich am Ludwig-Boltzmann-Institut für Hämatologie und Onkologie, das an der Med-Uni Wien beheimatet ist, mit Grundlagenforschung zu den körperlichen Mechanismen hinter dieser Krankheit. "Wir identifizieren Proteine, die nur an der Oberfläche von leukämischen Stammzellen vorkommen, nicht aber auf den gesunden Zellen", erklärt die 1984 in Klagenfurt geborene Wissenschafterin. "Wir untersuchen, welche Funktion diese Oberflächenproteine haben und ob ein Therapieansatz daraus entstehen könnte."

Bisher stehen für CML vor allem zwei Behandlungen zur Verfügung. Sogenannte Tyrosinkinase-Inhibitoren erkennen Zellen mit BCR-ABL1-Protein und können sie eliminieren. Es gibt dabei aber keine Garantie dafür, dass alle leukämischen Stammzellen ausgemerzt werden und man dauerhaft geheilt ist. Die zweite Variante ist eine Transplantation von Stammzellen, die, sofern sich ein Spender findet, vor allem bei jüngeren Patienten angewandt wird.

Sadovnik und Kollegen konnten nun bereits zwei Oberflächenproteine entdecken, die leukämische Stammzellen charakterisieren. Eines davon ist das Protein CD26, welches dafür verantwortlich ist, dass die Stammzellen nicht im Knochenmark bleiben, sondern ins Blut wandern. In präklinischen Studien konnte der fehlerhafte Mechanismus bereits unterbunden werden. Das Projekt wurde mit dem Wilhelm-Türk-Preis der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie ausgezeichnet.

Sadovnik führte ihr Faible für die Naturwissenschaften zu einem Studium der Genetik und Mikrobiologie an der Uni Wien. Für ihr Doktorat in der Leukämieforschung landete sie an der Med-Uni Wien. In das Jahr ihres Studienbeginns 2002 fällt auch der Start von Sadovniks zweiter Karriere. Die Wissenschafterin ist nichts weniger als amtierende Weltmeisterin in ihrer sportlichen Disziplin: BMX-Flatland. Den Titel brachte sie 2019 von den World Championships in China mit nach Hause, nachdem sie in den vorhergehenden Jahren bereits viele vordere Plätze in einschlägigen Bewerben belegte.

Flatland kann man sich als eine Art Tanz auf dem Fahrrad vorstellen. Verlängerte Achsen der Laufräder von Flatland-Bikes werden zu Fußtritten, die – viel Geschick, Balance und Übung vorausgesetzt – zahlreiche Tricks möglich machen. "Es kostet viel Energie, Arbeit und Training zu vereinen", sagt Sadovnik. "Aber ich habe auch große Leidenschaft für beide Bereiche." Und was ist ihr schwierigster Trick auf dem Rad? Sadovnik: "Meines Wissens bin ich die einzige Frau, die einen Cross-Handed Whiplash kann. Man verschränkt dabei die Hände auf dem Lenker, während man auf dem Vorderrad steht und das Hinterrad um die Radachse wirbelt." (pum, 9.2.2020)