Das Jahr ist noch jung, und die neu formierte Opposition aus SPÖ, FPÖ und Neos musste auch in kulturpolitischen Fragen bereits ihren Lackmustest bestehen. Aus Oppositionssicht durchaus erfolgreich. Denn die von den Neos medial lancierte Causa rund um Karoline Edtstadlers (ÖVP) skurrile Last-Minute-Personalumbesetzung bei den Museumskuratorien fand eine große Öffentlichkeit. Von "türkiser Härte" sprach Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die Grünen ließen sich "am Nasenring durch die Manege ziehen", setzte ihr Kultursprecher Sepp Schellhorn nach.

SPÖ und FPÖ nahmen die pinke Vorlage gerne an und setzten ihrerseits mit Kritik erste kulturpolitische Duftnoten.

"Dass maßgebliche Teile der ÖVP sich nur für Kultur interessieren, wenn es um Bälle geht oder Posten zu besetzen sind, ist leider nicht neu", beklagte SP-Kultursprecher Thomas Drozda, der auch an die kurz vor Weihnachten ebenfalls auf den letzten Drücker erfolgte Besetzung der kaufmännischen Staatsoperndirektion mit ÖVP-Landesrätin Petra Bohuslav erinnerte und sogleich parlamentarische Anfragen ankündigte.

Von "Postenschacher in Reinkultur" sprach der neue FPÖ-Kultursprecher Volker Reifenberger. Er fand es "sehr eigenartig", dass die Personalentscheidungen nicht der neuen grünen Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek überlassen wurden.

Wie aber denken die drei Oppositionellen generell über das Kulturprogramm von Türkis-Grün? Was finden sie gut, was fehlt? DER STANDARD hat nachgefragt.

SPÖ

Foto: APA/Herbert P Oczeret

Zu viele Punkte im türkis-grünen Kulturprogramm, auch jene, die er begrüßt, blieben vage und seien nicht finanziert, meint Thomas Drozda. Schon während Schwarz-Blau habe es im Kulturbereich keinen einzigen Gesetzesbeschluss gegeben, Sebastian Kurz sei ein "Ankündigungskanzler".

Die Liste der Dinge, die dem früheren Kulturminister unter Christian Kern im Programm fehlen, ist lang: das Bekenntnis zum Haus der Geschichte und zu einem Neubau, wie ihn die von der ÖVP eingesetzte Expertenkommission vorgeschlagen hat; die Schaffung eines Kollektivvertrags für Beschäftigte der Bundesmuseen; die Neuaufstellung der Ballettschule der Staatsoper; oder eine Valorisierung (automatische Inflationsanpassung) des Kulturbudgets.

Auch Drozdas eigene, damals selbst nicht mehr in Umsetzung gebrachte Ideen fehlen, wie ein eintrittsfreier Museumssonntag im Monat oder die Errichtung eines Fotomuseums, für die er mögliche Standorte in einem objektiven Wettbewerb der Ideen antreten lassen wollte.

"Stillstand" herrsche bei der Reform des vom Rechnungshof zerlegten Bundesdenkmalamts. Bei den Bundesmuseen ortet Drozda Widersprüche: "Einerseits ist die ,Stärkung der Bundesmuseums-Direktorenkonferenz‘ vorgesehen, andererseits die Schaffung einer ,Bundesmuseums-Holding‘. Wie passt das zusammen?"

Das wohl auf die Grünen zurückgehende Bekenntnis zu "Fair Pay" im Programm begrüßt der SPÖ-Kultursprecher hingegen: "Wien hat mit seiner Steigerung des Kulturbudgets um zehn Prozent und seinem Fokus auf ,Fair Pay‘ für Kulturschaffende gezeigt, in welche Richtung es gehen muss. Wird der Bund da jetzt nachziehen? Zu wünschen wäre es."

FPÖ

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Der Jurist Volker Reifenberger folgte als Kultursprecher der FPÖ erst jüngst Walter Rosenkranz nach. Beim türkis-grünen Kulturprogramm kann er in erster Linie jenen Punkten Positives abgewinnen, die seit Türkis-Blau einfach fortgeschrieben wurden.

Für begrüßenswert hält Reifenberger die Entwicklung einer Kunst- und Kulturstrategie unter Einbeziehung aller Gebietskörperschaften; den "Schutz und Erhalt unseres kulturellen Erbes – Bekenntnis zur Unesco-Konvention" oder die "verstärkte Sichtbarmachung der Kultureinrichtungen Österreichs im Ausland". Zu kurz kommt der FPÖ die Forderung nach stärkerer Präsenz österreichischer Künstler im öffentlich-rechtlichen Radio, allen voran auf Ö3.

Der Idee eines Fotomuseums erteilt die FPÖ unisono mit den Grünen eine "klare Absage": Das Erbauen und Einrichten eines Fotomuseums in Salzburg lehne man ab. "Es existieren bereits der Fotohof in Salzburg, die Camera Austria in Graz sowie das Ars Electronica in Linz. Hierbei handelt es sich um Einrichtungen, welche sich vollumfänglich mit dem Thema der Fotografie beschäftigen."

Zu einem Haus der Geschichte bekennt man sich zwar, lehnt aber einen Neubau am Heldenplatz strikt ab, da dieser unter Unesco-Denkmalschutz stehe. Skeptisch sieht die FPÖ auch Valorisierungen: In Unkenntnis der budgetären Situation könne man das "nicht seriös" beurteilen.

Für die im Kulturprogramm vermerkte "Geschlechtergerechtigkeit bei der Fördervergabe" trete zwar auch die FPÖ ein, Quoten lehnt man aber ab. Ablehnend steht Reifenberger auch der "Stärkung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes" gegenüber, weil der Verein "Denunziation" betreiben würde.

NEOS

Foto: APA/Herbert P Oczeret

Sepp Schellhorn, der selbst nun schon einige Jahre gemeinsam mit Beate Meinl-Reisinger die kulturpolitische Linie der Neos vorgibt, findet, dass Kunst und Kultur "leider" auch bei dieser Regierung ein "vollkommenes Randthema" geworden sei. Den Neos schwebt anstatt eines Staatssekretariats als "längst notwendiges Signal" ein eigenständiges Kulturministerium vor.

Schellhorn findet zwar durchaus Gefallen an der "grünen Handschrift" im Koalitionspakt, dennoch bleibe zu vieles unklar. Vor allem hofft Schellhorn, dass "die von mir schon jahrelang geforderte Kunst- und Kulturstrategie jetzt wirklich mit einer breiten Basis von Personen aus dem Kulturbereich erstellt wird und nicht wieder – wie während der letzten Regierung – als Buchstabenfriedhof im Regierungsprogramm steht".

Wichtig ist den Neos die Valorisierung des Kulturbudgets, für die man selbst als wirtschaftsliberale Partei Notwendigkeit sieht. Auch für ein Fotomuseum in Salzburg tritt der Salzburger Schellhorn ein. Dass das Haus der Geschichte keine Erwähnung im Programm findet, halten die Neos für befremdlich: Es solle ein eigenständiges und unabhängiges Bundesmuseum werden, die von der ÖVP angestrengte Anbindung ans Parlament lehnt Schellhorn ab.

Bezüglich "Fair Pay" hält der Neos-Kultursprecher fest, man dürfe "nicht die Augen davor verschließen, dass einigen Kulturschaffenden im Alter, bei Krankheit oder Erwerbslosigkeit die notwendige soziale Absicherung fehlt". Klassische kulturpolitische Neos-Forderungen finden sich weiters im eigenen Parteiprogramm: mehr Transparenz, weniger Bürokratie, Erleichterung privater Kulturfinanzierung etwa durch die Schaffung einer Kulturstiftung nach Schweizer Vorbild. (Stefan Weiss, 7.2.2020)