Auch am Tag danach wurde die Aufregung nicht weniger. Im Gegenteil: Dass sich der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich im thüringischen Landtag mit den Stimmen der rechtsnationalen AfD zum Ministerpräsidenten hatte wählen lassen, sorgte für Schockwellen, die auch in Berlin Staub aufwirbelten. Kritik kam nicht nur von links, sondern ebenso aus der Bundes-CDU, deren Parteifreunde in Erfurt mit der AfD gemeinsame Sache gemacht hatten. Und am Ende war es sogar die FDP selbst, die am Donnerstag erklärte, den Landtag auflösen zu wollen.

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FDP-Politiker Thomas Kemmerich, der erst am Mittwoch zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt worden war, strebt nun die Auflösung des Landtags an.
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Einhelliger Tenor des Katzenjammers: Die Brandmauer gegen die AfD, die mit Björn Höcke gerade in Thüringen eine Figur vom äußersten rechten Rand an der Spitze hat, sei löchrig geworden. Dieser Befund ist zwar richtig, greift als Argument aber zu kurz. Man muss kein begabter Demagoge sein, um derlei Bedenken als Missachtung eines normalen demokratischen Vorgangs vom Tisch zu wischen.

Daher lohnt ein zweiter Blick auf die Abstimmung selbst: Nein, es ist kein normaler demokratischer Vorgang, wenn die AfD-Fraktion einen Fake-Kandidaten aufstellt, dann aber den Kandidaten einer Fünf-Prozent-Partei zum Regierungschef wählt, um sich über die Hintertür als Königsmacherin zu stilisieren. Was rechtlich korrekt ist, kann dennoch eine politische Farce sein. Genau damit kokettieren die Feinde der Demokratie – und greifen so das System an. Das hat man nun auch in Erfurt erkannt. Spät, aber doch. (Gerald Schubert, 6.2.2020)