"Financial Times": Nachkriegskonsens zerissen

"Deutschlands politischer Nachkriegskonsens über die Ächtung rechtsextremer Parteien ist zerrissen worden."

"Süddeutsche Zeitung": Ein Imageschaden

"Die Wahl eines Ministerpräsidenten der FDP in Thüringen mit Hilfe von CDU und AfD ist für die Bundesparteien von Liberalen und Christdemokraten ein Desaster von unabsehbarer Dimension. Es offenbart eine eklatante Führungsschwäche, weil anscheinend jeder in diesen Parteien tun und lassen darf, was er für opportun erachtet. Der Imageschaden lässt sich schon daran ermessen, dass FDP und CDU bei der Schilderung der Erfurter Ereignisse nun fortwährend in einem Atemzug mit der AfD genannt werden. (...) Woran beide Parteien aber besonders zu leiden haben werden, ist die Tatsache, dass sie den Begriff der Bürgerlichkeit, auf den sie so großen Wert legen, in den Dreck haben ziehen lassen."

Eine Demonstrantin protestiert in Erfurt gegen die Wahl des FDP-Kandidaten Thomas Kämmerich zum Ministerpräsidenten.
Foto: APA / dpa / Martin Schutt

"Neue Zürcher Zeitung": Kein Makel

"Allen, die sich jetzt um die Demokratie sorgen, möchte man sagen: Das ist Demokratie! Was im Erfurter Landtag stattgefunden hat, ist eine freie Wahl, und darüber hinaus hat ein bürgerlicher Kandidat diese Wahl gewonnen. Es gibt keinen plausiblen Grund, das Ergebnis moralisch zu verurteilen. Im Gegenteil, es ist geradezu irritierend, wenn man sieht, wie sich auch bürgerliche Politiker von der Union und der FDP genieren und sich öffentlich von ihren Thüringer Kollegen distanzieren. Anders läge der Fall, wenn Thomas Kemmerich nun mit dem Thüringer AfD-Chef eine Regierung anstreben würde. Aber er hat sich von Björn Höcke und dessen Partei eindeutig und unmissverständlich distanziert. (...) Dass er sich von der AfD wählen ließ, um seine politischen Ziele zu verfolgen, ist kein Makel. (...)

Eine andere Frage ist, ob die Wahl taktisch klug war. Kemmerichs Vorgänger, Bodo Ramelow, ist in Thüringen äußerst beliebt. Eine Mehrheit der Bürger hätte ihn weiterhin gern als Ministerpräsident gesehen. Ob sie die Überrumpelung durch FDP, CDU und AfD goutieren werden, ist fraglich."

"De Standaard": Weltfremdheit im CDU-Hauptquartier

"Die AfD stellt die deutsche Politik weiter auf den Kopf. (...) Aus dem CDU-Hauptquartier in Berlin war umgehend die Botschaft gekommen, örtliche Mandatsträger dürften auf gar keinen Fall zusammen mit Höcke regieren. Diese Sperre rund um die AfD galt sicher für Thüringen. Doch die Anweisung stieß im Erfurter CDU-Quartier auf Skepsis. Schließlich bedeutete sie, dass die Abgeordneten vor Ort nie mitregieren könnten, denn die CDU-Zentrale in Berlin hatte auch schon eine Sperre gegen Die Linke verfügt – immer noch die stärkste Partei in diesem Bundesland. Die Thüringer CDU-Leute warfen Annegret Kramp-Karrenbauer Weltfremdheit vor und versuchten, das Diktat zu unterlaufen. Das ist gestern tatsächlich geschehen."

"Rzeczpospolita": Schwarzes Szenario

"Das schwarze Szenario der deutschen Eliten ist Realität geworden: Der 'Cordon sanitaire' rund um die euroskeptische, gegen Flüchtlinge und das Establishment gerichtete AfD wurde durchbrochen." (APA/red, 6.2.2020)