Die kalten Gewässer Alaskas waren zu Lebzeiten von Gunakadeit joseeae angenehm warm und dürften vor Thalattosauriern gewimmelt haben.
Illustration: Ray Troll

Wenn es im Südosten Alaskas im Gebiet der Keku Islands zu einer besonders starken Ebbe kommt, eilen die Menschen an die Strände, um nachzuschauen, was das Meer zurückgelassen hat. Als 2011 wieder einmal ein solches Ereignis auftrat, mischten sich die Geologen Jim Baichtal und Gene Primaky unter die Einheimischen und hielten in der Gezeitenzone nach Relikten aus vergangenen Erdzeitaltern Ausschau.

Und sie wurden tatsächlich umgehend fündig: Sie übermittelten Bilder einer seltsamen Struktur an den Paläontologen Patrick Druckenmiller von der University of Alaska, der ihnen bestätigte, dass es sich um ein Fossil handeln müsse. Als einen Monat später die nächste starke Ebbe anstand, hatten die Forscher zwei Tage Zeit, um das Fossil aus dem umgebenden Gestein zu lösen. Sie seien mit den Steinsägen "wie verrückt" zugange gewesen, während das Wasser rings um die Ausgrabungsstätte stieg, berichtet Druckenmiller.

Etwa zwei Drittel des Schwanzes hat die Erosion weggefressen, der Rest des Skeletts ist hervorragend erhalten geblieben.
Foto: University of Alaska Museum of the North

Die Analyse des Fossils hat dann erheblich länger gedauert und wurde nun im Fachjournal "Scientific Reports" präsentiert. Es handelt sich offenbar um eine bislang unbekannte Art von Thalattosauriern – einer Tiergruppe, die genau das war, was die wörtliche Übersetzung bedeutet: Meeresechsen. Fossilien solcher Tiere sind, verglichen mit anderen Tiergruppen aus derselben Zeit, eine Seltenheit.

Die neue Spezies erhielt die Bezeichnung Gunakadeit joseeae: Der erste Namensteil stammt aus der Mythologie der Tlingit, der indigenen Bevölkerung der Region, und ist der Name eines Meeresungeheuers, das Glück bringen soll. Mit dem zweiten Namensteil ehrten die Forscher Primakys Mutter Joseé.

Wenig bekannte Tiergruppe

Im Erdmittelalter ist eine ganze Reihe unterschiedlichster Reptiliengruppen zu einem Leben im Meer zurückgekehrt – ob Plesiosaurier, Ichthyosaurier, Mosasaurier, Schildkröten oder Krokodile. Die Thalattosaurier sind zwar weniger bekannt, gehörten aber zu den frühesten Pionieren des "Rückweges". Sie entwickelten sich vor über 240 Millionen Jahren in der frühen Trias, nicht allzu lange nach dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte, und starben in der zweiten Hälfte dieses Zeitalters auch schon wieder aus.

Im Vergleich zu anderen Meeresreptilien – etwa den delfinförmigen Ichthyosauriern – waren die Thalattosaurier nur mäßig an ein Leben im Wasser angepasst. Sie hatten einen langen und abgeflachten Schwanz, der als Paddel fungiert haben dürfte, ansonsten erinnerten sie in ihrem Körperbau an Echsen. Ob sie tatsächlich mit den Echsen oder doch eher mit den Krokodilen verwandt waren, ist noch nicht eindeutig geklärt.

Ein Spezialist

Immerhin reichte ihnen ihr geringer Grad an Anpassung, um 15 bis 20 Millionen Jahre lang die äquatornahen Meeresregionen zu besiedeln. Ihre größten Vertreter wurden drei bis vier Meter lang. Und wie Gunakadeit joseeae zeigt, brachten sie auch eine gewisse Formenvielfalt hervor, durch die sie unterschiedliche ökologische Nischen besetzen konnten.

Gunakadeit hatte eine deutlich zugespitzte Schnauze – Druckenmiller nimmt an, dass das Tier sie in Felsritzen und die Zwischenräume von Korallenriffen steckte, um sich Beute zu schnappen. Diese Spezialisierung könnte dem Forscher zufolge auch der Grund sein, warum das Tier schließlich ausstarb: Als weltweit der Meeresspiegel sank, wurden die flachen Küstengewässer, in denen Gunakadeit lebte, allmählich trockengelegt. Auf andere Nahrungsressourcen konnte er sich nicht mehr umstellen. (jdo, 9. 2. 2020)