Massive Sonneneruptionen könnten Satelliten, Kommunikationsnetze und Energieinfrastrukturen lahmlegen.
Foto: NASA/GSFC/SDO

Von der Sonne her weht ein beständiger "Wind" aus Strahlung und geladenen Teilchen, der vom Erdmagnetfeld abgelenkt wird und uns daher nichts anhaben kann. Sichtbar wird der Sonnenwind, wenn er rund um die Pole auf die Atmosphäre trifft und dort Atome und Moleküle zum Leuchten anregt. Das Ergebnis sind farbenfrohe Polarlichter. Mitunter aber kann es zu einem regelrechten Sonnensturm kommen. Die Ursache für solare "Orkane" sind Eruptionen in Regionen mit hoher magnetischer Feldstärke in den äußersten Schichten der Sonne, die mit einer plötzlichen Umordnen der magnetischen Feldlinien in Zusammenhang stehen.

Weist ein solcher Ausbruch direkt in Richtung unseres Heimatplaneten, werden drei Phänomene beobachtbar: Es kommt zu einem Röntgenblitz, auch Flare genannt, der rund acht Minuten nach der Sonneneruption die Erde erreicht und als erstes Anzeichen für einen Sonnensturm registriert wird. Etwa eine Stunde später treffen Protonen und andere hochenergetische Teilchen ein. Diese Partikel können im Ernstfall den Satelliten im Orbit große Unannehmlichkeiten bereiten, bis hin zum Totalausfall. Schließlich, nach etwa ein bis zwei Tagen, bekommen wir es mit einer Plasmawolke aus geladenen Teilchen zu tun. Dieser sogenannte koronale Massenauswurf ist für viele Probleme verantwortlich, die mit einer schweren Sonneneruption einhergehen.

Rekordsturm vor 161 Jahren

Der schwerste Sonnensturm, der jemals aufgezeichnet wurde, erreignete sich im Jahr 1859. Beim sogenannten Carrington-Ereignis kam es zwischen 28. August und 4. September zu mehreren starken Sonneneruptionen, die damals auf Höhe von Hawaii, Rom und Havanna Polarlichter auslösten. Der damit verbundene geomagnetische Sturm beeinträchtige das noch junge weltweite Telegrafennetz massiv und verursachte sogar Brände, da die in den Leitungen induzierten Spannungen durch Funkenschlag die Papierstreifen in den Telegrafenempfängern entzündeten.

Video: Das Carrington-Ereignis.
Fraser Cain

Heute wären die Folgen eines vergleichbaren Sonnensturms ungleich dramatischer. In unserer hochvernetzten Welt mit ihren empfindlichen Energieverteilungs- und Kommunikationssystemen könnte ein Sturm dieser Größenordnung eine gefährliche Kettenreaktion auslösen, die weite Teile des Globus tage-, wenn nicht wochenlang ohne Strom und Internet zurückließe. Besonders angreifbar wären dabei die Satelliten im All, die für unsere moderne Gesellschaft mittlerweile unverzichtbar sind. Man geht davon aus, dass ein Sonnenausbruch, der so heftig ist wie das Carrington-Ereignis, Kosten von Milliarden, möglicherweise sogar Billionen Dollar verursachen würde.

Doch nicht so selten

Lange Zeit beruhigte man sich jedoch mit der auf Eisbohrkernuntersuchungen basierenden Annahme, dass Stürme mit derartigen Ausmaßen nur alle paar hundert Jahre auftreten. Doch damit dürfte man sich in falscher Sicherheit wiegen: Wie britische Wissenschafter auf Grundlage eines umfangreichen Datensatzes nun nachgewiesen haben, kommen Sonnenstürme, die massiv genug sind, um elektronische Geräte zu zerstören, alle 25 Jahre vor. Wesentlich häufiger, nämlich im Schnitt alle drei Jahre, kommt es demnach zu weniger starken Stürmen, die aber immer noch in der Lage sind, Kommunikationsgeräte, Stromnetze oder Satelliten zu beeinträchtigen.

Aktuell befindet sich die Sonne in einem Aktivitätsminimum. Das Bild zeigt unser Zentralgestirn im extremen UV-Licht (193 Ångström).
Foto: Nasa/SDO

Die von einem Team um Sandra Chapman von der University of Warwick (Coventry) verfasste Studie stützt sich auf Magnetfelddaten aus 150 Jahren von Standorten in Großbritannien und Australien – dem sogenannten AA-Index. Der globale geomagnetische Aktivitätsindex repräsentiert die längste, praktisch ununterbrochene Aufzeichnung von Änderungen des terrestrischen Magnetfelds.

Sechs "Superstürme" in 150 Jahren

"Diese Superstürme sind zwar immer noch seltene Ereignisse, aber die Abschätzung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit ist wichtig für die Planung, um kritische Infrastruktur zu schützen", sagt Chapman. In ihrer in den "Geophysical Research Letters" präsentierten Arbeit zeigen die Autoren, dass in 42 der letzten 150 Jahre – also etwa alle drei Jahre – schwere Magnetstürme aufgetreten sind. Die wesentlich heftigeren "Superstürme" wurden in sechs von 150 Jahren registriert, also im Durchschnitt alle 25 Jahre. Die Analysen, die die letzten 14 Sonnenzyklen umfassten, belegen damit, dass solche großen solaren Ausbrüche deutlich häufiger passieren als bisher gedacht.

Video: Was ein schwerer Sonnensturm heute anrichten würde.
University of Warwick

Trotz dieser neuen Erkenntnisse lässt sich ein "Supersturm" freilich noch immer nicht vorhersagen. Allenfalls können Wissenschafter Wahrscheinlichkeiten formulieren, die auf dem elfjährigen Aktivitätszyklus der Sonne basieren. Aktuell befindet sich die Sonne in einem sehr inaktiven Stadium. Das nächste Maximum, das mit einer hohen Sonnenfleckenzahl einhergeht, wird für 2023 bis 2026 prognostiziert. Das bedeutet laut Chapman und ihren Kollegen jedoch nicht, dass wir derzeit vor einem großen Sonnensturm gefeit ist. (tberg, 8.2.2020)