Wenn Babys und Kinder krank sind, suchen Eltern Rat beim Arzt. Was tun, wenn seine Ordination nicht offen hat?

Foto: Elmar Gubisch

Auch wenn das Coronavirus mehr mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht: Österreich steckt mitten in der Grippewelle. Allein in Wien gab es in der Vorwoche rund 12.000 Neuerkrankungen mit Influenza oder grippalen Infekten. Kinder leiden besonders oft darunter, wie Hochrechnungen der Ages zeigen. Am Wochenende suchen besorgte Eltern, wenn sie dringend medizinischen Rat brauchen, oft Spitalsambulanzen auf. Die Betreuung dort verursacht im Gesundheitssystem deutlich mehr Kosten als bei einem niedergelassenen Arzt. Doch es mangelt an Alternativen – oder am Wissen darüber.

Diese Woche schlugen die niederösterreichischen Neos Alarm, weil der allgemeinmedizinische Bereitschaftsdienst in dem Bundesland – einen kinderärztlichen gibt es dort nicht – Lücken aufweist. Zahlen der Ärztekammer in einer Anfragebeantwortung zeigen, dass es im Schnitt nur bei drei Vierteln aller Wochenend- und Feiertage ärztliche Bereitschaftsdienste gibt.

Sprengel ohne Arzt

"Ob die Patientinnen und Patienten gut versorgt sind, hängt in Niederösterreich vom Wohnort ab", kritisiert Neos-Gesundheitssprecherin Edith Kollermann. In jenem Sprengel im Bezirk Baden, in den die Stadt Traiskirchen fällt, ist zum Beispiel an nur sechs Tagen des ersten Quartals 2020 ein Bereitschaftsdienst vorhanden. Von Jänner bis inklusive März gibt es aber 28 Wochenend- und Feiertage. Landesweit stehen in acht Sprengeln an Wochenenden keine Ärzte zur Verfügung – die Hälfte davon betrifft den Bezirk Mistelbach. In der Stadt Mödling und in Wiener Neudorf, die zusammen einen Sprengel bilden, steht an nur zwei Tagen ein Arzt bereit.

Die Neos fordern daher einen Abbau der Bürokratie und eine bessere Honorierung. Dem Land fehle der Plan, wie man gegen die Lücken vorgehen könne, lautet Kollermanns Kritik. Die Situation hat sich seit Februar 2019 verschärft, als der Verwaltungsgerichtshof entschied, dass Allgemeinärzte nicht zum Bereitschaftsdienst am Wochenende verpflichtet werden können.

Honorare erhöht

Niederösterreichs Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) weist darauf hin, dass einiges getan wurde, um gegenzusteuern: So wurden die Honorare mit der NÖ Gebietskrankenkasse (heutige Gesundheitskasse) erhöht. Für sechs Stunden Bereitschaft werden nun 153 Euro bezahlt, dafür sollen ein oder zwei Nachbarsprengel mitversorgt werden. Für eine Visite an Samstagen, Sonn- und Feiertagen erhalten Ärzte zudem fast 72 Euro statt bis dahin rund 37 Euro.

Eine flächendeckende Versorgung könne aber erst wieder erreicht werden, wenn die aktuelle Freiwilligkeit wieder in eine Pflicht geändert werde, heißt es dazu weiter aus dem Büro der Landesrätin, die da die Ärztekammer am Zug sieht. Königsberger-Ludwig weist weiters darauf hin, dass am Wochenende auch die telefonische Gesundheitsberatung 1450 erreichbar ist. Zusätzlich beobachte derzeit der Notruf 144, wie sich die Situation in nichtbesetzten Sprengeln darstellt. Die dabei eruierten Daten könnten in Zukunft Grundlage für etwaige Überlegungen über ein neues Sprengelmodell sein.

Eindeutig zahlenmäßig belegbar ist, dass die kinderärztliche Versorgung auf Kasse in Niederösterreich Lücken aufweist. Zehn Kassenverträge sind dort in dem Fach nicht vergeben.

Notdienst soll bekannter werden

Auch in Wien fehlen fünf Kassenärzte der Kinderheilkunde, dennoch existiert ein freiwilliges Kinderärzte-Notdienstrad für das Wochenende – abseits des allgemeinen Ärztefunkdienstes. Ärztekammer, Gemeinde und Kasse haben sich vor gut einem Jahr auf die Rahmenbedingungen dafür geeinigt. Zusätzlich hat der kinderärztliche Wochenendnotdienst – dem Wiener AKH sowie dem SMZ Süd / Kaiser-Franz-Josef-Spital vorgelagert – täglich geöffnet.

Auf STANDARD-Nachfrage hieß es nun seitens der Kammer, dass man die von zehn bis 15 Uhr laufenden Wochenenddienste niedergelassener Kinderärzte noch bekannter machen will. Geplant seien Plakate für Ordinationen und Spitäler sowie ein besserer Webauftritt – derzeit existiert die Liste der Diensthabenden in Form eines PDFs, einsehbar unter www.aekwien.at/kinder.

Bewusste Informationslücke

Nicht angeführt ist darin das KIZ Augarten von Helmuth Howanietz im zweiten Bezirk, obwohl der Kinderarzt seit Jahren an Samstagen und Sonntagen von neun bis 13 Uhr geöffnet hat. Seine Ordination wirkt auf Patienten wohl wie eine Gruppenpraxis mit Zusatzangeboten, Howanietz betreibt aber ein Ambulatorium. Das ist der Kammer ein Dorn im Auge. "Das KIZ gilt als nichtbettenführender Krankenanstaltenbetreiber", sagt Howanietz, daher ist für ihn die Wirtschaftskammer zuständig, und Howanietz darf Physiotherapeuten, Diätologen und Kinderpsychologen anstellen.

Die Ärztekammer Wien erklärt ihre Haltung so, dass sie "grundsätzlich gegen Ambulatorien" ist, da die Betreiber GmbHs sind, die nicht nur an Ärzte weiterverkauft werden könnten, sondern zum Beispiel auch an Versicherungen oder Baufirmen. Außerdem habe Howanietz mit der Kasse Zusatzleistungen vereinbart, die anderen Kinderärzten nicht zugestanden wurden, was man nicht unterstütze. Dass ratsuchenden Eltern, die am Wochenende nicht ins Spital fahren wollen, eine mögliche Anlaufstelle unterschlagen wird, nimmt die Standesvertretung dafür in Kauf. (Gudrun Springer, 8.2.2020)