Kann man ohne Leiter in den zweiten Stock einsteigen? Nun, Armand Duplantis kann es – mit etwas Anlauf und einem Stecken in der Hand. Der 20-jährige Schwede hält seit Samstag den Weltrekord im Stabhochsprung. Die Latte lag bei 6,17 Metern, einen Zentimeter höher als bei der sechs Jahre alten Bestmarke des Franzosen Renaud Lavillenie. Im zweiten Versuch versetzte Duplantis das Publikum im polnischen Torun in Ekstase: "Ich habe von diesem Moment geträumt, seit ich in Windeln meine ersten Sprünge gemacht habe."

Ein solcher Höhenflug kommt nicht von ungefähr. Man erzählt sich, dass der Knirps bereits im Alter von vier Jahren per Besenstiel aufs Sofa hüpfte. Als wäre der Stabhochsprung ein Naturinstinkt. Auch die Geschwister Andreas, Antoine und Johanna kann man sich kaum ohne Stab in der Hand vorstellen. Die um drei Jahre jüngere Johanna hält mit 1,62 Metern den Weltrekord für Sechsjährige. Das Talent wurde den Kids offenbar in die Wiege gelegt. Der Vater war selbst Stabhochspringer, die Mutter, einst von Schweden in die USA ausgewandert, Volleyballspielerin und Siebenkämpferin.

Aus der Mühle nach Schweden

Duplantis wurde in Lafayette im US-Bundesstaat Louisiana geboren. Im Alter von 14 Jahren traf der Doppelstaatsbürger eine richtungsweisende Entscheidung. Um sich die Knochenmühle der internen Ausscheidungen in den USA zu ersparen, entschloss er sich, für Schweden an den Start zu gehen. Seither verläuft die Karriere des Champions wie am Schnürchen: U20-Weltmeister, Europameister und schließlich auch noch Vizeweltmeister.

"Mondo", wie er von Freunden genannt wird, hat das Zeug, den Stabhochsprung auf Jahre hinweg zu dominieren. Wie einst Sergej Bubka, der den Weltrekord von 1984 bis 2014 hielt. Bubka war auch einer der ersten Gratulanten. "Das war ein fantastischer Job! Spring noch höher!", schrieb der Ukrainer auf Twitter. Dass Duplantis noch höher springen kann, scheint außer Frage zu stehen. Sein Rekordsprung war keine ganz knappe Sache.

Der Jungspund weiß zu feiern, in Torun tanzte er durch die Halle und fiel seiner Mutter auf der Tribüne um den Hals. Duplantis wäre aber nicht der potenzielle kommende Superstar der Leichtathletik, wenn er nicht sofort wieder den Blick nach vorn richten würde, Richtung Olympische Spiele in Tokio. Der 4. August 2020 könnte sein ganz großer Tag werden, bis dahin betreibt er Understatement: "Der Weltrekord war ein ziemlich guter Start in die Saison." (Philip Bauer, 9.2.2020)