Manoomin-Reis soll als erste Pflanze der Welt eigene Rechte zugesprochen bekommen. Die indigene Gruppe der Anishinaabe aus Nordamerika hat mithilfe des Community Environmental Legal Defense Fund (CELDF) einen Gesetzesvorschlag erarbeitet, um ihrem Grundnahrungsmittel einen Platz im Stammesgesetz zu sichern. Die Indigenen wollen damit eine Ölpipeline stoppen, die im Ökosystem der Great Lakes zwischen Kanada und den USA erbaut werden soll und ihren nachhaltigen Anbau der Reissorte gefährdet.

Issac Goeckeritz

So ungewöhnlich der Vorschlag auch klingt, scheint er sich dennoch in einen globalen Trend einzufügen. Bereits 2006 erhielt die Natur erstmals im US-Bundesstaat Pennsylvania gewisse Rechte, um sie vor der Abladung toxischen Schlamms zu schützen. Seither haben sich vor allem Staaten mit indigener Bevölkerung hervorgetan, etwa Ecuador oder Bolivien. Aber auch in Uganda, in Indien und in europäischen Staaten wie Schweden gibt es ähnliche Bestrebungen beziehungsweise bereits erste Ansätze. 40 Gesetzesentwürfe zu Naturrecht sollen bereits in den USA verabschiedet worden sein.

Schadenersatzzahlungen?

So sprach Neuseeland etwa dem für die Māori-Bevölkerung heiligen Fluss Whanganui umfangreiche Rechte zu und löste damit den Konflikt, der einst ausgebrochen war, weil man den Indigenen das Bewohnen des Naturschutzgebietes verbieten wollte. Die neue Gesetzgebung erkennt nun die enorme Bedeutung des Flusses an und erlaubt es den Māori, weiter in Symbiose mit der Natur zu leben. Der Whanganui wird als unteilbares, lebendiges Ganzes beschrieben, das all die "Rechte, Möglichkeiten, Aufgaben und Pflichten" einer juristischen Person trägt. "Ich bin der Fluss. Der Fluss bin ich", heißt es im Text. Seit dem Präzedenzfall erhielten auch ein mehr als 2.000 Quadratkilometer großer Nationalpark und ein Berg denselben rechtlichen Status.

Die Māori kämpfen zusehends für eine juristische Eigenständigkeit der von ihnen bevölkerten Natur.
Foto: EPA/DAVID ROWLAND

Durch die Deklarierung bestimmter Flüsse, Seen, Pflanzen oder Wälder zu juristischen Personen erhofft man sich einerseits gegen Umweltverschmutzer strafrechtlich besser vorgehen zu können. Noch hat jedoch niemand stellvertretend für die Natur Schadenersatzzahlungen geltend machen können – und generell herrscht große Unsicherheit, wie das eines Tages konkret aussehen könnte. Bisher unterlagen die Naturschützer in Rechtsstreits immer wieder Großgrundbesitzern und anderen Industrieinteressen.

Zum anderen fordern die Umweltschützer aber vor allem einen Paradigmenwechsel in der Betrachtung der Natur ein. So soll sie nicht länger nur mehr als Selbstbedienungsladen für die Menschen angesehen werden. Immer wieder fällt in den Diskussionen dabei eine Aussage des berühmten Physikers Albert Einstein, der 1950 geschrieben hat, dass die Vorstellung, wonach Menschen separat von der Natur zu betrachten seien, "eine optische Verblendung der Wahrnehmung ist". Die Menschheit müsse sich aus diesem "kulturellen Gefängnis befreien", indem sie "alle lebenden Kreaturen und die Natur in ihrer ganzen Schönheit" annehme. Ob die Deklarierung der Natur als juristische Person dafür als erfolgreiches Tool agieren kann, wird sich wohl erst in einigen Jahren beweisen. (faso, 11.2.2020)