Geschichte schildert, wie es war, Prophetie, wie es wird. Insofern sind wir hier Geschichtsschreiber eines beinahe prophetischen Fahrwerks. Was spricht der Gote?, werden Asterix-Kenner vielleicht fragen. Nun, er spricht dies: erste Ausfahrt im neuen A3. Eingesammelt haben wir die Impressionen in der Topversion S3, die im Herbst auf den Markt kommt, während es mit den "normalen" A3 – vierte Generation von Audis Bestseller im Golf-Format – schon im Frühjahr losgeht.

Wasche den Fuß, verhülle Dein Haupt und tritt ein, steht als Inschrift vor einem Apollon-Tempel. Auf den Azoren, wo wir nicht wegen der dortigen Rallye weilten, sondern eben wegen des S3, waschelt es die Tage vor unserer Ankunft so, dass die erste Bedingung ohne weiteres erfüllt ist. Die zweite beträfe den Umstand, dass der A3 bis zum Genfer Salon ja noch geheim ist (wir haben unser Haupt dennoch ein wenig enthüllt). Und einmal eingetreten und Platz genommen, fühlt man sich sogleich heimisch in diesem gar nicht so numinos (Stichwort Tempel) anmutenden Fahrzeug.

Bei der A3-Camouflierung setzt Audi koloristisch eine kaiserliche Duftnote: Schwarz-Weiß-Rot. Weil Debüt beim Genfer Salon, lässt sich das wahre Aussehen schon gut erkennen.
Foto: Audi

Aus geologisch einsichtigen Gründen sprechen die Ingolstädter von einem "Tanz auf dem Vulkan", nach getaner Tat im Kurvenreich der nach dem heiligen Michl (São Miguel) benannten Hauptinsel greifen wir lieber auf Wetterterminologie zurück, das Azorenhoch: Mit dem A3/S3 stellt Audi die Weichen auf Hoch, dies lässt sich zwanglos prophezeien.

Die Autos sind noch getarnt, bei den Fahrerwechseln muss eine Art Neopren-Präservativ über die Armaturen. Damit bloß kein Tourist oder Insulaner (sich) ein Bild davon machen kann. Die Außentarnung, Sie sehen es oben, ist in großflächigem Schwarz und Weiß angelegt, analog zu den Kühen auf den üppig grünen Inseln, vielleicht haben die lustigen Audianer sich davon inspirieren lassen. Die zusätzlichen roten Akzente komplettieren das altehrwürdig kaiserliche Schwarz-Weiß-Rot.

Und nachdem wir diesen italienischen Kollegen mit dem – äh: extravaganten Fahrstil überholt haben, können wir endlich die Register des Orgelwerks erproben.

Variabler Übersetzer

Als Erstes fällt gleich einmal die präzise Lenkung auf, trotz auf Frontantrieb basierenden Allradantriebs Marke Haldex und Vorn-hinten-Achslastverteilung von 60:40, und wie wunderbar der S3 ausbalanciert ist. "Variabel übersetzte Progressivlenkung", weiß Fahrwerkprojektleiter Lutz Herrlich, der im Fond Platz genommen hat, darüber zu berichten. Mit je nach Lenkwinkel unterschiedlicher Übersetzung – heißt: je mehr Einschlag, desto direkter.

Wir springen bei der Anwahl der Modi gleich von Komfort auf Sport und erleben die nächste Überraschung. So eine Spreizung kannten wir bisher noch nicht in der Fahrzeugklasse, sie dankt sich der adaptiven Dämpferregelung (Ventile elektromagnetisch betätigt). Trotz MQB (Modularer Querbaukasten) sei "kein Dämpfer, keine Feder gleich wie im VW Golf", betont Herrlich. Und auch Baureihenleiter Jens Rückert, der gleich danach im S3 an Bord geht, bekräftigt, die Fahrdynamikabstimmung seien gänzlich Audi-spezifisch.

Trotz beherzten Herangehens greift die Sicherheitsregeltechnik kaum einmal ein. Das Schutznetz ist zwar da, muss aber nicht ran. Der Wagen klebt regelrecht auf der Straße.
Foto: Audi

Als Herzstück des Fahrwerks verarbeitet ein zentrales Steuergerät (dieser Fahrdynamikregler führt die bisherigen Einzelsysteme zusammen) die Daten in Echtzeit; konditioniert die elektrohydraulische Lamellenkupplung und die vollvariable Momentenverteilung zwischen vorn und hinten; passt die Dämpfer einzeln dem Untergrund an; wirkt radselektiv mit leichten Bremseingriffen auf die kurveninneren Räder ein. In Summe ergibt sich eben das eingangs Erwähnte: ein beinahe prophetisch veranlagtes Fahrwerk.

Geschaltet wird per 7-Gang-DSG, da allerdings ist die Ähnlichkeit zum neuen Wolfsburger evident: Der Schalthebel entfällt, es gibt nur noch einen kleinen Knubbel, eine Schaltwarze quasi; sorry, Audi, aber so ist es halt. Spart Platz, aber hübsch ist das nicht.

Jetzt klart es zunehmend auf, die Straße ist stellenweise feucht, stellenweise trocken, an Bord begrüßen wir Maria Rasch (Entwicklung Gesamtfahrzeug A3) und ihren breiten, sympathischen bayerischen Dialekt, ein Genuss, danke noch mal, und weil wir das Auto schon besser kennen und alle vier Personen an Bord über solide Mägen verfügen, kommen wir der Aufforderung zum Tanz, siehe zweites Bein, gewissenhaft nach.

Und wissen Sie was? Trotz beherzten Herangehens greift die Sicherheitsregeltechnik kaum einmal ein. Das Schutznetz ist zwar da, muss aber nicht ran. Der Wagen klebt regelrecht auf der Straße. Fazit S3: Das kann ja heiter werden. (Andreas Stockinger, 12.02.2020)