Sind Eier gesund oder ungesund? Studien liefern unterschiedliche Ergebnisse, das Gelbe vom Ei gibt es bei Ernährung nicht.

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Der Imagewandel des Hühnereis auf dem Frühstückstisch gleicht einer Achterbahnfahrt: Ab Ende der 1970er wurde das Ei als Quelle für das Arterien verstopfende Cholesterin verunglimpft. In den letzten Jahren wurde es rehabilitiert und als ausgezeichnete Quelle von Proteinen und einzigartigen Antioxidantien beworben.

Doch Anfang des Jahres musste das Hühnerei einen erneuten Imageschaden verkraften. Eine im Fachblatt "Jama" veröffentlichte Studie kam zu folgendem Ergebnis: Mit jedem zusätzlichen halben Ei steigt das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung um sechs und die Sterblichkeit um acht Prozent. Obwohl die Studie mit fast 30.000 Teilnehmern aussagekräftig wirkt, zeigt sie beispielhaft, warum sich die Ernährungsempfehlungen so oft ändern. Die zugrunde liegenden Daten sind vielfach nicht zuverlässig. Häufig stammen sie wie im Fall der Eierstudie lediglich aus Beobachtungsstudien und nicht aus randomisiert-kontrollierten Untersuchungen.

In der Medizin sind randomisiert-kontrollierte Studien der Goldstandard. Per Los wird bestimmt, wer von den Freiwilligen ein Medikament bekommt und wer lediglich ein Placebo ohne Wirkstoff. Weder Patienten noch Ärzte wissen, welche Probanden in der Medikamentengruppe und welche in der Placebogruppe sind. Bessert sich die Gesundheit in der Medikamentengruppe in stärkerem Maße als in der Placebogruppe, spricht viel für die Wirksamkeit des Medikaments.

Tagebuch führen

Im Fall der Ernährungswissenschaften ist das nicht ganz so einfach. Wer würde schon seine Ernährung aufgrund der Entscheidung per Los freiwillig über Jahre hinweg umstellen? "Ein Grund, warum es nicht so viele randomisiert-kontrollierte Studien gibt, ist auch ein ethischer", sagt Lisa Affengruber vom Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems. "Würde man etwa eine randomisiert-kontrollierte Studie über die gesundheitliche Wirkung von Rotwein machen, wäre das bedenklich", so die Ernährungswissenschafterin. "Eine Gruppe von Probanden müsste dann regelmäßig Rotwein konsumieren."

Ein weiterer Grund sei, dass man Beobachtungsstudien leichter und kostengünstiger durchführen könne. Ernährungswissenschafter beobachten meist, was Menschen essen, indem sie die Probanden Ernährungstagebücher führen lassen. Zusätzlich erfassen sie den Gesundheitszustand der Teilnehmer über einen gewissen Zeitraum. Dabei ist es natürlich fraglich, ob Menschen ihre Ernährung wirklich korrekt angeben. Hinzu kommt im Falle der Eierstudie: Obwohl sie im Schnitt die Gesundheit und die Sterblichkeit der Freiwilligen über mehr als 17 Jahre erfasste, wurden die Probanden nur einmal hinsichtlich ihrer Ernährung befragt, nämlich am Anfang der Studie. Unklar ist dann, ob die Teilnehmer ihren Ernährungsgewohnheiten über die Jahre hinweg wirklich treu bleiben.

Ein großes Problem ist für Beobachtungsstudien zudem, dass die jeweilige Ernährung im Normalfall auch mit anderen Verhaltensweisen einhergeht, die einen Einfluss auf die Gesundheit haben. "Es gibt viele unbekannte und kaum messbare Einflüsse", sagt Lisa Affengruber.

Unzuverlässige Daten

Beispielsweise haben Studien zufolge Vegetarier und Veganer ein geringeres Krebsrisiko. Die Daten stammen aus Beobachtungsstudien, und hier kann man nicht sagen, ob wirklich die vegetarische bzw. vegane Ernährung oder nicht etwa ein generell gesünderer Lebensstil die Ursache für die positiven Ergebnisse ist. Es könnte sein, das sich Vegetarier und Veganer allgemein gesünder ernähren oder etwa mehr Sport treiben. "In der Ernährungsforschung gibt es viel mehr Einflussfaktoren als etwa in einer Medikamentenstudie", betont Affengruber. Und anders als in randomisiert-kontrollierten Studien kann man in Beobachtungsstudien Einflussfaktoren nur schlecht unter Kontrolle bringen.

Forschergruppen verwenden statistische Methoden, um die verzerrenden Auswirkungen zu beseitigen. Doch die statistischen Verfahren können unterschiedliche Ergebnisse ausspucken. Das zeigte Chirag Patel, Professor für biomedizinische Informatik an der Harvard Medical School, in einer Studie. Je nachdem, welche Mischung aus Einflussfaktoren wie Rauchen oder Diabetes der Forscher berücksichtigte, senkte oder erhöhte die Einnahme von Vitamin E die Sterblichkeitsrate der Probanden.

Die vielfach unzuverlässigen Daten sind auch ein Problem für die Fachgesellschaften. Da die Bevölkerung nach Ernährungsempfehlungen verlangt, müssen die Fachgesellschaften ihre Empfehlungen vielfach auf schlechte Daten gründen. Ändert sich die Datenlage, ändern sich auch die Empfehlungen der Gesellschaften.

Minimale Empfehlung

Gibt es dann überhaupt Empfehlungen, denen man trauen kann? Ein Weg, um der Flut von – teilweise widersprüchlichen – Daten Herr zu werden, sind Übersichtsarbeiten. Den höchsten Evidenzgrad haben systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen, die randomisiert-kontrollierte Studien zusammenfassen. Es gebe nicht viele Empfehlungen mit guter Evidenz, so Lisa Affengruber. Dennoch existieren einige, die sie guten Gewissens teilen kann.

Sie verweist etwa auf die relativ gute Evidenz einer Cochrane-Übersichtsarbeit von 2015. "Ihr zufolge verringert es wahrscheinlich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wenn man gesättigte Fette aus Tier-und Milchprodukten durch ungesättigte Fettsäuren aus Pflanzen und Fisch ersetzt." Ebenfalls relativ gute Evidenz habe die Erkenntnis: Wer vermehrt zu Vollkornprodukten greift, hat seltener Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. (Christian Wolf, 13.2.2020)