Frage: Warum wissen die US-Behörden überhaupt über die Causa Eurofighter Bescheid?

Antwort: Das geht auf die Betrugsanzeige des Verteidigungsressorts unter rechtlicher Beratung der Finanzprokuratur gegen Hersteller Airbus, vormals EADS, in der Amtszeit von Minister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zurück. Im Zuge dieses Schritts im Februar 2017 ließ Doskozil auch entsprechende Unterlagen an die US-Behörden übermitteln. Denn laut einem OECD-Übereinkommen zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, das auch Österreich unterzeichnet hat, hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, derartige Verdachtslagen zu melden. Konkret informierte man unter anderem das US-Justizministerium, dass im Zuge des Eurofighter-Deals im Jahr 2003 rund 183,4 Millionen Euro in dubiose Netzwerke, darunter Vector Aerospace, versickert sind – und dass davon auch US-Konten und US-Staatsbürger betroffen sind.

Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten wirbelt der Eurofighter hierzulande immer wieder Staub auf.

Frage: Warum spielt Bestechung in Österreich in einem amerikanischen Strafverfahren eine Rolle?

Antwort: Schon in den 1970er-Jahren haben die USA als erstes Industrieland Korruption im Ausland unter Strafe gestellt. In Europa konnten Konzerne noch bis in die 1990er-Jahre im Ausland bezahlte Schmiergelder als Betriebsausgabe von der Steuer absetzen. Als US-Unternehmen immer lauter über Wettbewerbsnachteile klagten, drängte Washington seine Verbündeten zu ähnlichen Antikorruptionsgesetzen.

Frage: Auf welche Weise haben die USA Druck ausgeübt?

Antwort: Einerseits politisch als Supermacht, andererseits durch die extraterritoriale Anwendung ihrer Gesetze auf ausländische Unternehmen. Das ist im amerikanischen Rechtssystem möglich. Ein europäischer Konzern muss nur irgendeine Verbindung in die USA haben – eine Börsennotierung, eine Tochtergesellschaft oder eine Bankverbindung –, und sogleich wird er von der Justiz wie ein US-Unternehmen behandelt.

Frage: Wer bekam das neben Airbus bisher zu spüren?

Antwort: Zahlreiche europäische Unternehmen. Auch die beiden deutschen Großkonzerne Siemens und Daimler wurden wegen Schmiergeldzahlungen in Entwicklungs- und Schwellenländern zu hohen Strafen verurteilt. Siemens musste 2008 1,6 Milliarden Dollar zahlen und tauschte sein Topmanagement aus. Infolge der Affäre wurde der Österreicher Peter Löscher Vorstandschef, auch Brigitte Ederer kam in den Konzernvorstand. Daimler einigte sich 2010 auf eine Zahlung von 185 Millionen US-Dollar.

Frage: Hat die US-Politik damit ihren Zweck erreicht?

Antwort: Ja. Etwa zur gleichen Zeit setzte die EU mehrere Anti-Korruptions-Richtlinien um, die alle Mitgliedsstaaten zu strengen Gesetzen gegen Bestechung im Ausland verpflichten. International aktive Unternehmen führten mit viel Aufwand Prozesse ein, um Schmiergeldzahlungen zu unterbinden. Nur wenn sie solche "Compliance" nachweisen können, haben sie eine Chance, beim Auftauchen von Korruptionsvorwürfen irgendwo in der Welt einer hohen Strafe zu entgehen. Und europäische Konzerne zahlen heute deutlich seltener Schmiergelder als einst.

Frage: Wurde Airbus in den USA wegen der Causa Eurofighter vor ein Strafgericht gestellt?

Antwort: Nein. Die Bezahlung von 3,6 Milliarden Euro beruht auf einem strafrechtlichen Vergleich mit dem Justizministerium. Das ist in den USA meist so üblich. Dabei ging es auch um Verstöße gegen US-Waffenexportgesetze. Auch in Großbritannien und Frankreich schloss Airbus solche "Deferred Prosecution Agreements". Auffallend ist, dass Airbus als Teil des Deals mit den US-Behörden Bestechung in zahlreichen Staaten eingesteht.

Frage: Was wird in Bezug auf Österreich konkret eingestanden?

Antwort: Unter Randziffer 170 der Vereinbarung heißt es: "In fact, Airbus or its Vendors had paid, offered or agreed to pay political contributions, fees or commissions (...) in connection with the sale, in amount of approximately 55,125,984 Euros." Das heißt übersetzt: Airbus beziehungsweise "seine Verkäufer" hätten rund 55 Millionen Euro an entsprechenden politischen Zuwendungen, Honoraren oder Provisionen in Zusammenhang mit dem Eurofighter-Verkauf an Österreich gezahlt, angeboten oder zu zahlen akzeptiert.

Dass es sich dabei um Bestechung gehandelt haben könnte, weist Airbus aber zurück. In der Vereinbarung sei festgestellt worden, dass es Airbus verabsäumt habe, diese Zahlungen gemäß der US-Rüstungsvorschriften offenzulegen, sagte ein Sprecher des Unternehmens auf APA-Anfrage. Doch weder habe das Justizministerium den Vorwurf erhoben, noch habe Airbus erklärt, "dass diese Zahlungen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Eurofighter-Flugzeugen an Österreich Bestechungszahlungen im Sinne des US-amerikanischen Anti-Korruptionsgesetzes seien".

Frage: An wen konkret gingen die 55 Millionen Euro?

Antwort: Da bleiben derzeit noch ein Dutzend Fragezeichen offen: Denn aus den Gerichtsunterlagen aus den USA geht zwar hervor, dass Airbus an vierzehn Einzelpersonen, Berater oder Organisationen Zahlungen geleistet hat, die gemeldet werden müssen hätten, doch die Empfänger sind in den US-Unterlagen anonymisiert.

Frage: Weiß man das nicht ohnehin? Seit Jahren fallen doch rund um den Eurofighter-Deal und dubiose Zahlungen dieselben Namen.

Antwort: Das ist korrekt. Doch bisher lassen sich nur zwei Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechenden Zahlungssummen zuordnen: Der Ex-EADS-Lobbyist Erhard Steininger dürfte in den US-Dokumenten als anonymisiertes Beispiel angeführt sein. Er soll knapp 17 Millionen Euro von Airbus plus ein Erfolgshonorar im Wert von 2,75 Millionen erhalten haben. Davon soll er an die Firma der Frau des früheren Kommandanten der Luftstreitkräfte, Erich Wolf, 87.600 Euro gezahlt haben. Auch Wolf ist im Akt nicht namentlich genannt. Ermittlungen gegen ihn wurden vor Jahren eingestellt.

Frage: Waren die drei U-Ausschüsse rund um die Eurofighter also völlig umsonst?

Antwort: Keineswegs. In seinem Endbericht über den dritten U-Ausschuss konnte Verfahrensrichter Ronald Rohrer auf Seite 284 festhalten, dass es im Zuge von Gegengeschäften zu treuwidrigem Verhalten kam, mit dem man das Ziel verfolgte, "Gelder zu unlauteren Zwecken aus dem EADS-Konzern auszuschleusen und dies zu verheimlichen".

Frage: Was hat die österreichische Justiz bisher unternommen?

Antwort: Die Causa liegt bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sie hat sie 2019 von der Staatsanwaltschaft Wien geerbt. Wie die WKStA dem STANDARD mitteilt, wurden in der gesamten Causa Ermittlungen gegen rund 60 bekannte Beschuldigte eingeleitet. Gegen rund 25 von ihnen hat die WKStA Ermittlungen eingeleitet.

Frage: Wie geht es in Österreich nun weiter?

Antwort: Mit der Aufklärung Betraute gehen davon aus, dass es für die WKStA nun einfacher sein dürfte, Anklage zu erheben. Weiters hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in einer ersten Reaktion "Wiedergutmachung" von Airbus eingefordert. Abseits des Strafverfahrens können nämlich zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden.

Frage: Was bedeutet das für die Eurofighter?

Antwort: Ministerin Tanner will zunächst die Eurofighter-Taskforce in ihrem Ressort und die Finanzprokuratur analysieren lassen, welche Möglichkeiten sich nun ergeben. Wird Korruption nachgewiesen, könnte Österreich den Vertrag theoretisch rückabwickeln lassen, ein Vertragsausstieg inklusive Schadensersatz wäre möglich – worauf die SPÖ pocht. (Eric Frey, Nina Weißensteiner, 10.2.2020)