Seit dem Antritt dieser Regierung steht eine Ministerin unter Dauerbeschuss: Alma Zadić. Am Anfang schwappte ihr der Hass noch aus dem Netz entgegen, anonyme Hetzer setzten ihr mit Morddrohungen zu. Der Kanzler stellte sich damals mit einem Bein hinter sie. Die andere Körperhälfte wandte sich weithin sichtbar von Zadić ab.

Später schwenkte Sebastian Kurz zu einer weniger subtilen Form der Desavouierung seiner Regierungskollegin um. Immer wieder ist er es selbst, der die Ministerin und ihr Ressort provoziert. Es mag ein Zufall sein, dass er immer wieder im Beisein Zadićs von Flüchtlingen pauschal als Sicherheitsrisiko spricht, explizit und ohne Anlass. Zadić, einst selbst als Geflüchtete ins Land gekommen, darf danebensitzen, zuhören und das Pokerface wahren.

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat die Kampagne gegen den Rechtsstaat zur Chefsache erklärt.
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In schöner Regelmäßigkeit schickt der Kanzler seine Vertraute, Europaministerin Karoline Edtstadler, vor. Er stilisiert sie zur Schattenjustizministerin. Im Live-TV darf Edtstadler den Totalumbau der Korruptionsverfolgung verkünden. Der eigentlichen Justizministerin bleibt tags darauf nichts anderes übrig als zu sagen: Moment, so war das aber nicht vereinbart.

Die Angriffe gelten nicht nur Zadić selbst, sondern der Justiz insgesamt. Sebastian Kurz zieht sie in Misskredit, lanciert immer wieder rhetorische Attacken gegen die Strafverfolger. Er behauptet, die Korruptionsbekämpfer seien selbst korrupt, Staatsanwaltschaften befänden sich quasi in Geiselhaft roter Netzwerke. Einen Beweis bleibt er schuldig. Er wiegt sich in der Sicherheit des Hintergrundgesprächs, vertraut darauf, dass man ihn schon nicht zitieren, aber dennoch ein wenig von seinem Framing mit nach Hause nehmen wird.

Aushungern des Justizapparats

Es kommt anders. Die justizinterne Empörung ist groß, doch Kurz rudert nicht zurück, im Gegenteil. In Brüssel stellte er sich hin, um auf der Europabühne den Ruf der österreichischen Justiz zu beschädigen. Während zugleich im Innenministerium Fälle türkiser Vetternwirtschaft für Zorn sorgen, kramt Kurz 23 Jahre alte, längst bekannte und teils widerlegte Pseudobelege für seine Behauptung hervor. Es geht ja ohnehin nicht um Fakten. Es geht um die Botschaft.

Kurz arbeitet daran, die Justiz zu schwächen. Das ist der ÖVP, die in den vergangenen Regierungen stets den Finanz- wie auch den Justizminister stellte, schon durch systematisches Aushungern des Justizapparats gelungen. Die rhetorische Beschädigung des Rechtsstaats ist der zweite Schritt. Der stille Tod, vom Finanzminister eingeleitet, wird durch den Rufmord des Kanzlers ergänzt.

Kurz hat die Kampagne gegen den Rechtsstaat zur Chefsache erklärt. Am Montag lud er zur "Aussprache". Nur, um danach vor Kameras dasselbe Mantra zu singen: Staatsanwälte ermitteln zu langsam, zu einseitig, zu wenig vertraulich. Das erste Wort an diesem Tag gehört Edtstadler, das letzte Wort behält er. Für Zadić bleibt Platz in der Mitte. Gut möglich, dass sie darin zerrieben wird. (Maria Sterkl, 11.2.2020)