Europa- und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) war die Erste, die nach der Aussprache mit den Staatsanwälten die vereinbarten Maßnahmen präsentierte. Zuständig ist sie dafür aber nicht.

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Krisenmodus im Kanzleramt: Regierungschef Sebastian Kurz drohte die Kontrolle zu verlieren. Bei einem vertraulichen Hintergrundgespräch säte er Zweifel an der Unabhängigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Nachdem das publik geworden war, stand er plötzlich selbst im Zentrum der Debatte. Das war nicht der Plan, denn Kurz inszeniert sich am liebsten über den Dingen stehend.

Eine neue Strategie musste her. Das ist der Moment, in dem Karoline Edtstadler ins Spiel kommt. Die Europaministerin rückte aus, um das zu wiederholen, was Kurz ursprünglich nur im Hintergrund sagen wollte, und ging noch einen Schritt weiter. Sie kenne diese Probleme in der Justiz, Kritik daran müsse erlaubt sein. Überhaupt würden die Verfahren viel zu lange dauern.

Ausputzerin für Kurz

Die ÖVP entschied, in die Offensive zu gehen. Edtstadler sollte die Deutungshoheit zurückgewinnen. Sie ist "die neue Ausputzerin für Sebastian Kurz", wie sie Politikberater Thomas Hofer im STANDARD-Gespräch nennt: "Sie muss für Kurz die tägliche politische Auseinandersetzung austragen." Diese Funktion übte in der Vergangenheit häufig Gernot Blümel aus, doch der Kurz-Vertraute ist nun zum Finanzminister aufgestiegen. Für ihn ist diese Rolle nicht mehr passend.

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Warum ausgerechnet die Kanzleramts- und Europaministerin diese Rolle in der heiklen Justiz-Affäre übernimmt, hat mehrere Gründe. Die Mutter eines 18-jährigen Sohnes hat eine steile Karriere als Juristin hingelegt. Als Richterin war sie berüchtigt für harte Urteile.

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Zweimal Europa und zurück

Später arbeitete sie im Kabinett von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP). Sie wurde sogar Oberstaatsanwältin der WKStA – doch nur auf dem Papier. Der sogenannte "Mascherlposten" diente zur Gehaltserhöhung. Bevor sie als Staatssekretärin für Inneres in die türkis-blaue Regierung berufen wurde, arbeitete sie mehr als ein Jahr für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Dass sie im Vorjahr neben Othmar Karas die ÖVP in den EU-Wahlkampf führte, zeigte bereits, welches Vertrauen sie in der Partei genießt. Immerhin überholte sie den früheren Vorzugsstimmenkaiser Karas und wurde Delegationsleiterin, allerdings nur für kurze Zeit. Denn schon im Nationalratswahlkampf nominierte Kurz sie als Joker für TV-Duelle. Edtstadler musste statt des Kanzlers mit Peter Pilz diskutieren.

Pflichtbewusst und schmerzbefreit

Die bald 39-Jährige wäre gern Justizministerin geworden. Auch Kurz hätte sie für dieses Ressort bevorzugt, musste aber dem grünen Koalitionspartner Zugeständnisse machen. Nun nützt die Europaministerin die Gelegenheit, in das Justizministerium hineinzuregieren.

Edtstadler wird von Kurz in die Diskussionsrunde "Im Zentrum" geschickt, um dort schmerzbefreit immer wieder dieselben Sätze herunterzuspulen. Pflichtbewusst übt sie sich in Empörung und Entsetzen über ein 22 Jahre altes Strategiepapier aus der SPÖ. Die Kanzleramtsministerin sitzt als Kurz-Vertraute selbstverständlich bei der Aussprache mit den Staatsanwälten am Tisch, obwohl sie nicht dafür zuständig ist. Und sie übernimmt die Aufgabe, als Erste die dort vereinbarten Maßnahmen der Presse mitzuteilen. Die türkise Erzählung spinnt Edtstadler geschickt weiter. Sie erledigt für Kurz einen Job. Auch auf Kosten der eigenen Glaubwürdigkeit. (Marie-Theres Egyed, 10.2.2020)