Die vermeintliche "Unabhängigkeit" von Staatsanwälten ist ein Irrglaube: Im Unterschied zu Richtern sind Staatsanwälte in eine Hierarchie eingebunden, die ihnen Vorgaben machen kann.

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Wien – Sie soll evaluiert werden, sie muss eingebremst oder gestärkt werden, sie braucht Budget – die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) steht seit Wochen im Fokus der politischen Auseinandersetzung. Von der ÖVP wird sie für politische Unterwanderung und lange Verfahrensdauern kritisiert.

In der WKStA arbeiten ausschließlich Oberstaatsanwälte, es sind insgesamt 39, davon drei in Linz, drei in Innsbruck und vier in Graz. Die Ausbildung zum Staatsanwalt dauert vier Jahre, für die WKStA braucht es zusätzliche wirtschaftliche Aus- und Fortbildungen sowie Erfahrung mit Großverfahren. Zudem können die Staatsanwälte auf etwa 15 Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Finanzen, Banken, Buchhaltung, Börse und IT zurückgreifen.

Grund für die überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer seien fehlende Ressourcen und die langwierige Zusammenarbeit mit Finanzbehörden und ausländischen Dienststellen. Ein Problem ist auch die personelle Fluktuation innerhalb der WKStA, die Staatsanwälte arbeiten deshalb in Teams.

Über ein System für anonyme Hinweisgeber gelangen nicht nur Informationen ein, sondern kann auch mit Zeugen kommuniziert werden. Laut einer Statistik von 2018 führten aber nur 0,45 Prozent der Hinweise auch zu einem Urteil. 2019 behandelte die WKStA rund 900 neue Verfahren und gab in 150 Fällen Rechtshilfe an ausländische Staatsanwaltschaften. Sie schrieb etwa 40 Anklageschriften gegen rund 100 Beschuldigte und 25 Strafanträge gegen 70 Beschuldigte. Laut WKStA betreffen mehr als Hälfte der Fälle Wirtschaftskriminalität und zwölf Prozent Korruption. Weitere Bereiche sind Geldwäsche oder Sozialbetrug. (jf)

Von Weisungen und Berichtspflichten

Die vermeintliche "Unabhängigkeit" von Staatsanwälten ist ein Irrglaube: Im Unterschied zu Richtern sind Staatsanwälte in eine Hierarchie eingebunden, die ihnen Vorgaben machen kann. Sobald ein Verfahren bedeutend ist – etwa wegen der Person des Tatverdächtigen – oder juristisches Neuland betreten wird, müssen die insgesamt 16 regulären Staatsanwaltschaften (StA) vor Anklage oder Einstellung an ihre vier Oberstaatsanwaltschaften (OStA) berichten. In Fällen, die regional nicht begrenzt sind, müssen die OStA das Ministerium einbinden. Diese Berichte können dann "zur Kenntnis genommen" werden. Andernfalls wird eine Weisung erteilt.

Die Idee dahinter ist, dass an der Weisungsspitze jemand mit politischer Verantwortung steht. Das funktioniert, wenn Justizminister ihr Amt unabhängig wahrnehmen und nicht versuchen, parteipolitischen Einfluss auf Verfahren zu nehmen. Um das zu verhindern, wird jedwede Weisung dokumentiert. Außerdem gibt ein Weisungsrat Empfehlungen ab, zu welchen Entscheidungen ein Justizminister gelangen soll.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sollte eigentlich weisungsfrei und von Berichtspflichten großteils entbunden sein. Ersteres wurde nie umgesetzt, Letzteres nach der BVT-Affäre und Fehlern der WKStA adaptiert.

Problematisch sind "versteckte Weisungen": Damit sind Versuche gemeint, etwa in Besprechungen Verfahren zu beeinflussen, ohne formell eine Weisung auszugeben. Außerdem sorgen die Weisungen für Unmut, wenn etwa die Oberstaatsanwälte gänzlich anderer Ansicht als die Staatsanwälte sind, die sich dann düpiert fühlen. Meistens herrscht aber Einigkeit. (fsc, 11.2.2020)