Online-Suchanfragen lassen relativ tief in die Persönlichkeit blicken. Aus der Gesamtheit der eingegebenen Begriffe können Betreiber von Suchmaschinen ein detailliertes Bild des jeweiligen Nutzers zeichnen.

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Immer mehr Menschen wenden sich bei gesundheitsrelevanten Fragen an "Dr. Google". Das gilt auch für das "Googeln" nach suizidbezogenen Suchbegriffen. Google zeigt bei manchen solcher Suchanfragen eine Infobox mit potenziell suizidpräventiver Information, etwa telefonische Beratungshotlines. Die Häufigkeit, mit der diese Box bei Suchanfragen gezeigt wird, ist jedoch in allen Ländern unterschiedlich. In Österreich wird sie etwa überhaupt nicht angezeigt. Das hat ein internationales Forscherteam um Florian Arendt vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien in einer aktuellen Studie herausgefunden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt allgemein Medien, Hilfsangebote zur Suizidprävention zu kommunizieren. Studien weisen darauf hin, dass sich damit Suizide verhindern lassen und Hilfsangebote häufiger genützt werden, im Fachjargon wird das "Papageno-Effekt" genannt. Aus anderen Studien ist bereits bekannt, dass etwa besonders im Kontext von Suiziden prominenter Personen vermehrt nach bestimmten suizidbezogenen Suchbegriffen gesucht wird. Für die Suizidprävention ergibt sich dadurch eine wichtige neue Möglichkeit, suizidalen Personen direkte und unmittelbare Hilfe anzubieten: Wenn suizidale Personen nach Suizidbegriffen suchen – beispielsweise nach einer bestimmten Suizidmethode –, kann Google auf Hilfsangebote wie Hotlines oder Chats verweisen.

Google hat darauf reagiert, indem die Suchmaschine ein sogenanntes "Suizidpräventionsresultat" (SPR) bei manchen suizidbezogenen Suchanfragen einblendet. Das SPR beinhaltet eine Box mit hilfreichen Informationen wie Nummern der Telefonseelsorge oder Chats. Die Anzeigehäufigkeit des SPR ist jedoch länderspezifisch unterschiedlich, wie bereits eine Studie der Uni Wien aus dem Jahr 2019 gezeigt hat. In einigen Ländern wie etwa den USA wird bei suizidbezogenen Suchbegriffen in 92 Prozent der Fälle ein SPR eingeblendet, in Deutschland scheint es nur in 22 Prozent der einschlägigen Suchanfragen auf.

Suchverhalten echter Nutzer simuliert

Das Aufzeigen von Hilfsangeboten führt tatsächlich zu einer gesteigerten Nutzung solcher Angebote. So haben in den USA nach der Einführung des SRP mehr Menschen bei der Telefonseelsorge Lifeline angerufen als vorher. Es gibt außerdem empirische Evidenz, die darauf hindeutet, dass Krisenintervention über einen telefonischen Beratungsservice zu einer Reduktion der Suizidalität beitragen kann.

In Österreich und Belgien wird die Infobox gar nicht gezeigt. Das ist das zentrale Ergebnis der aktuellen Studie unter der Leitung von Florian Arendt. Konkret führten die Forscher 137.937 Suchanfragen von programmierten "virtuellen Agenten" in Österreich, Deutschland, Belgien und der Schweiz durch. Diese virtuellen Agenten simulierten das suizidbezogene Suchverhalten echter deutschsprachiger Nutzer.

Blinder Fleck Österreich

Das Auswertung der Daten zeigte, dass das SRP in Österreich und Belgien nie angezeigt wurde, in Deutschland und der Schweiz zumindest in etwa 20 Prozent der Fälle. "Österreich scheint ein blinder Fleck zu sein", so Arendt. Der Kommunikationswissenschafter hat den Eindruck, "als ob sich Google aus dieser Verantwortung stiehlt. Es ist unverständlich, warum in Ländern wie Österreich die Infobox mit Hilfsangeboten überhaupt nicht eingeblendet wird."

Beunruhigend sei auch, dass in Deutschland beispielsweise nach dem Suchbegriff "Selbstmord" bei ungefähr der Hälfte der Anfragen das SPR gezeigt wurde. Enthielt die Eingabe außerdem noch den Namen eines prominenten Suizidenten, suchte man das SPR vergeblich. Das sei problematisch, denn gerade der vielzitierte Werther-Effekt besagt, dass es nach Suiziden, die medial große Aufmerksamkeit erregen, größere Nachahmungsgefahr gibt. (red, 11.2.2020)