In der künstlerischen Forschung werden gesellschaftlich relevante Themen wie Robotik und Biomechatronik durchdacht.

Foto: Kunstuniversität Linz / Johannes Braumann

Mode und Robotik – was nach einem Laufsteg mit Cyberpunk-Elementen klingt, ist an der Kunstuniversität Linz der Titel eines neuen Forschungsprojekts. Für "FAR – Fashion and Robotics" sollen innovative Ideen moderner Kleiderkreation entstehen, die aber nichts mit eingebauten Gadgets zu tun haben.

Vielmehr geht es darum, Mode in Zeiten billig produzierter Shirts aus dem Globalen Süden neu zu denken: Es gibt Experimente mit alternativen Stoffen aus Biomaterialien und mit neuen Designs, bei deren Produktion Roboter das Werkzeug der Wahl sind.

Für dieses interdisziplinäre Unterfangen kooperieren der Studiengang "Fashion & Technology" und das Labor für kreative Robotertechnik auch mit dem Institut für Biomechatronik der Johannes-Kepler-Universität Linz.

Schnittstellen

"In der Mode haben wir sehr lange traditionelle Methoden angewandt, ohne sie groß infrage zu stellen", sagt Christiane Luible-Bär, die den Studiengang und das Projekt mitleitet. "Durch neue Technologien ergeben sich neue Methoden – wie man ein kollaboratives Design denken kann, beispielsweise mit Designer und Roboter. Das möchten wir ausloten und testen. Ich sehe viel Potenzial an dieser Schnittstelle, auch für die Frage: Wie können wir Kunst durch Technologie weiterbringen?"

Die künstlerische Forschung hat oft die Kunst selbst zum Thema. Darüber hinaus spielt in vielen Projekten aber auch ein gesellschaftlicher Mehrwert eine Rolle, wie hier mit der Idee, neue Ansätze für die Kleidungsproduktion zu entwickeln.

Bei dieser Art der Grundlagenforschung ist im Gegensatz zu natur-, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Blickwinkeln die künstlerische Erfahrung zentral. Durch das Schaffen eines Kunstwerks setzt man sich hier kritisch mit einem Problem auseinander – oder mit den Grenzen des Machbaren und Denkbaren.

Was man zu begreifen versucht

"Kunstschaffende erweitern das, was wir zu begreifen versuchen", so formuliert es Alexander Damianisch, Leiter des Bereichs Forschung an der Wiener Universität für angewandte Kunst und Vorstandsmitglied der Society for Artistic Research (SAR). "Es geht um die Herausforderung von Unverstandenem und die Entwicklung neuer Instrumenten zur alternativen, kritischen Wahrnehmung."

Ein historisches Beispiel hierfür aus dem Bereich der Sprachkunst könnte etwa Karl Kraus’ Antikriegsdrama "Die letzten Tage der Menschheit" darstellen: Originalzitate wurden versiert zu einem Panorama der Kriegsabsurdität angeordnet, das sich der unbegreiflichen menschlichen Grausamkeit annähert.

Von Mode über Musik bis hin zur Malerei werden alle Facetten der Kunst abgedeckt, ähnlich vielfältig sind die Methoden. Allerdings sind nicht alle Künstler auch künstlerisch Forschende – das erfordert ein systematisches Vorgehen und eine intensive Beschäftigung mit Wissen und Theorien aus jenen Bereichen, die das eigene Thema betreffen.

Förderungen

Dass künstlerische Forschung auf internationalem Niveau an österreichischen Institutionen betrieben werden kann, liegt auch an den Fördermöglichkeiten. Maßgeblich ist hier das Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK) des Wissenschaftsfonds FWF, das es bereits seit 2009 gibt.

Die jährliche Fördersumme hat sich in der Zwischenzeit mehr als verdoppelt und liegt aktuell bei rund vier Millionen Euro. Zuletzt bekamen Ende 2019 zehn Projekte Förderung zugesprochen, darunter das FAR-Projekt aus Linz.

Am stärksten vertreten sind die beiden Wiener Hochschulen für angewandte und bildende Kunst. "Was der FWF hier sichert, ist immens wichtig", sagt Damianisch. Auch Deniz Peters, Präsident der SAR und Leiter der künstlerisch-wissenschaftlichen Doktoratsschule der Kunstuniversität Graz, sieht das Programm positiv: "Die Förderschiene ermöglicht es der künstlerischen Forschung in Österreich, neben Skandinavien, Belgien, der Schweiz und England eine europäische Pionierposition einzunehmen."

Das Programm PEEK gilt international als vorbildlich. Erst seit diesem Jahr gibt es etwa in Deutschland eine Förderung künstlerischer Forschung in Berlin; in Frankreich und Spanien entwickelt sich das Feld ebenfalls langsam weiter.

Dabei ist das FWF-Programm für den Fachbereich auch sehr kompetitiv: Nur etwa 16 Prozent der Bewerbungen erhalten den Zuschlag. Die Bewilligungsquote bei FWF-Einzelprojekten ist trotz aller Probleme wegen stagnierender Budgets höher, 2018 lag sie bei 28 Prozent.

Europäisches Phänomen

"Künstlerische Forschung als Disziplin ist jedenfalls ein europäisches Phänomen", sagt Peters. Außerhalb Europas gibt es vor allem in Kanada und Australien ähnliche Tendenzen. "Während diese Herangehensweise schon immer Teil der künstlerischen Praxis war, ist die Institutionalisierung, wie sie in den vergangenen 25 Jahren auch in Österreich verstärkt stattgefunden hat, ein großer Trend."

Ganz einheitlich ist dieser Trend nicht: Es gibt verschiedene Tendenzen, in welche Richtung sich künstlerische Forschung an Hochschulen entwickeln könnte. "Sie sollte sämtlichen relevanten Potenzialen einen Ort bieten können", sagt Damianisch von der Angewandten.

Peters betont: "Eine wesentliche Stärke künstlerischer Forschung liegt im Dialog zwischen dem Denken durch Kunst – welches die menschliche Dimension der Erfahrung und Wahrnehmung einbezieht – und dem wissenschaftlichen Verständnis eines Themas."

Reflexionsniveau

Dies werde erfüllt, wenn der wissenschaftliche Anspruch des Durchdenkens ähnlich hoch ist wie der künstlerische und sich beide Erkenntnisweisen gegenseitig befruchten. "Wenn allerdings nur eine hauchdünne Reflexionskomponente hinzugenommen wird, kann die Vermittlung der gewonnenen Erkenntnisse kaum über die Präsentation von Kunst hinausgehen", so Peters. Das Reflexionsniveau stelle insbesondere beim Anlegen von Doktoraten ein Qualitätskriterium dar.

Formell ist wichtig, dass künstlerische Forschung nicht als Unterkategorie der Kunsttheorie, Kunstgeschichte oder ähnlicher Bereiche betrachtet wird, sondern als eigenständige Forschungsrubrik.

Besonders bei der Kennzeichnung und Verfügbarkeit der Forschungsarbeiten gibt es dringenden Nachholbedarf, sagt Peters: "Weder bei der Statistik Austria noch im Katalog des Österreichischen Bibliothekenverbundes (der eine Datenbank für Hochschulschriften beinhaltet, Anm.) taucht künstlerische Forschung als Disziplin auf." Entsprechend schwierig gestaltet sich die Suche nach Forschungsarbeiten.

Diskurs innerhalb der Disziplin

Das wäre aber dringend notwendig für einen Diskurs innerhalb der Disziplin auf hohem Niveau. Auch internationale Plattformen und Datenbanken werden dafür gebraucht. Die SAR selbst, der 50 Institutionen der Kunstausbildung als Mitglieder angehören, bietet einen frei verfügbaren Online-Forschungskatalog mit multimedialen Inhalten, dessen Ausbau und Entwicklung jedoch kostspielig sind.

Es gibt also Verbesserungspotenzial für die noch junge Forschungsdisziplin. Auch das Förderprogramm PEEK wird bald zur Qualitätssicherung evaluiert. In den kommenden Jahren wird sich zeigen, in welche Richtung es weitergeht, auch in Bezug auf die Identität des Fachs, das sich als erneuernde Kraft in der Kunst und als Erschließung neuer Denkräume herausbilden könnte. (Julia Sica, 18.2.2020)