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Der Valentinstag ist die Punschtorte unter den hohen Feiertagen: außen eine Lawine von rosa Zuckerguss; unter der Oberfläche – wen interessiert’s? Inhalte, bitte nicht an diesem Tag! Der Konsument will klare Zeichen sehen, also rote Rosen, teure Slips oder Diamanten.

Für meinen guten Freund B, der schon immer mehr vom Leben wollte, spielt es seit Wochen Valentinstag: Bei einem Innenstadtevent trat ein Unbekannter (weißes Hemd, schwarze Lederkrawatte) in sein Leben beziehungsweise auf seinen Schuh. Seitdem genießt B Wochenendtrips an den Genfer See sowie "transzendentalen Pupillensex" – eine Version des Liebesaktes, erklärt er, bei der man einander nonstop in die Augen sieht.

Dazwischen leuchten auf seinem Mobiltelefon Textnachrichten auf wie: "Ich will dich mehr als ALLES andere in meinem Leben! Für immer! Und jetzt gleich, in deinem Büro ..." Das sind natürlich keine handelsüblichen SMS. Das sind Ansagen wie aus einem Drehbuch von Almodóvar. – Wer sehnt sich nicht nach so einem XXL-Happy-End?

Waffenschein

Unsere Sehnsucht nach übersinnlichen Romanzen ist groß. Gerne überhört man dafür den kreischenden Sand im Getriebe. So auch B: "Eine Sache ist komisch", erwähnte er am Beginn seines großen Abenteuers. "Er schläft mit einem Baseballschläger unter seinem Kopfpolster. Angeblich bloß eine reine Sicherheitsmaßnahme." – Inzwischen zeigt B sich allerdings zunehmend alarmiert: "In Sichtweite zur Wohnung meines Geliebten steht ständig dieser Mann im Trenchcoat auf der Straße. Das sieht mir nicht nach Verkehrsdelikt aus." – Ich glaube, absolut unspießig zu sein. Aber das ist der Moment, in dem ich B sehr streng in die Augen sehe. Pupillentalk, so zusagen: "Ich hoffe für dich, dass der Gute nicht auch noch eine Pistole im Handschuhfach spazieren führt."

Palermo oder San Francisco?

So kann’s gehen, bevor man an Kinder, Familie und Pensionsversicherung denkt. Man probiert sich aus – und endet irgendwo zwischen illegalem Stromabzapfen und rasanter Verfolgungsjagd. Applaus für jeden, der da rechtzeitig den Absprung schafft.

Denn früher, da war in der Liebe noch vieles möglich: Zuerst datete man den Drogendealer, dann den Mann mit Haus und Garten. Man konnte am Montag eine riesige Dummheit mit einem Crackdealer begehen und am Freitag mit dem Erben einer Kaffeerösterei auf Urlaub fahren.

Heute sind derartige Experimente kaum mehr möglich, mit all den Momentaufnahmen und Storys im Internet. Heute tut man gut daran, so übervorsichtig wie eine katholische Handarbeitslehrerin zu sein. Was als Die Straßen von San Francisco beginnt, entwickelt sich nämlich immer schneller zu Der Pate. Für derartige Machenschaften möchte man nicht seinen Kopf hinhalten müssen.

Und dann gibt es ja auch noch jede Menge psychische Kriminalität. Auch hier heißt es permanent: Riesen-Obacht, sonst wirst du die Stalker, Borderliner und narzisstischen Auffahrunfälle nicht mehr los.

Ich, zum Beispiel, treffe meinen Freund B neuerdings lieber nicht mehr in meinen Stammlokalen – auch das eine reine Sicherheitsmaßnahme.

Wie gesagt: Wenn die Liebe gefährlich wird, muss man rechtzeitig den Absprung schaffen. Ansonsten: Happy Valentine und freie Fahrt voraus! (Ela Angerer, RONDO, 13.2.2020)