Betty Draper (January Jones) aus der Serie "Mad Men", deren Geschichte in den frühen 1960er-Jahren einsetzt. Der Gatte (Mitte) bringt das Geld heim, sie ist für die Familienarbeit zuständig. Bis heute hat man sich offenbar noch nicht von diesen via Geschlecht festgelegten Rollen gelöst.

Foto: Lions Gate Entertainment

Eine Studie zeigte kürzlich, dass in der Schweiz Männer und Frauen bei der Angabe ihres Gehalts flunkern – und zwar so, dass es eine stereotype Geschlechterrolle widerspiegelt. Demnach gaben manche Frauen an, weniger, und manche Männer, mehr zu verdienen, als tatsächlich der Fall ist. Materielle Überlegenheit ist demnach Männersache. Nicht schön, es klingt aber durchaus plausibel, dass dieses Bild einige Männer und Frauen mit ihren eigenen Aussagen zu ihrem Einkommen stützen.

Aber: Das sagt nichts über den "wahren" Gender Pay Gap aus, wie einige im Forum unterhalb des Artikels zur Studie vermuten. "Endlich kommt die Wahrheit ans Licht", heißt es dort zum Beispiel. Begriffe wie "Lüge" und "Mythos" begleiten Berichte über den Gender Pay Gap seit Jahren. Dafür scheint auch diese Umfrage gut zu sein, die bezüglich Gender Pay Gap allerdings nur eines zeigt: dass man mit einer Umfrage nicht viel über die Einkommensverhältnisse von Männern und Frauen erfährt. Denn die alten Geschlechterrollen kleben natürlich noch immer an uns. Wie sollte es auch anders sein, nachdem tausende Jahre das Geschlecht bestimmte, wer man sein darf.

Fünfzigerjahre spielen

Die festklebenden Klischees bestätigte auch die Schweizer Studie, laut der Frauen ihr ökonomisches Licht unter den Scheffel ihres Lebensgefährten stellen, wenn sie mehr als dieser verdienen. Geht es jedoch ums Gehalt des Mannes, reden sowohl die Männer als auch die Frauen dieses besser, als es ist. Der Grund? Weil es möglicherweise die "männliche Identität bedroht einzugestehen, dass die Frau mehr verdient, obwohl sie nicht über mehr Bildung verfügt als der Mann". Das ist der eigentliche Knaller der Studie.

Bevor man sich also freut, dass aufgrund einer verzerrenden Angabe der Gender Pay Gap womöglich kleiner ist als bisher angenommen, sollte man erst einmal die Einschätzung der ForscherInnen über die Gründe der falschen Angaben in aller Ruhe auf sich wirken lassen: weil Männern nicht zugetraut wird, dass sie es aushalten, wenn ihre Partnerin mehr verdient. Und weil Frauen sich offenbar unwohl damit fühlen, mehr Einkommen als ihr Partner zu haben. Das verrät viel darüber, wo wir in puncto Geschlechterverhältnissen im Jahr 2020 stehen.

Es ist allerdings auch nichts Neues, dass man sich selbst dann althergebrachte Geschlechterrollen konstruiert, wenn die materiellen Verhältnisse eigentlich andere Lebensentwürfe zulassen würden: Die Soziologinnen Cornelia Koppetsch und Sarah Speck haben in ihrer umfassenden Studie "Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist" (2015) gezeigt, dass sogar Paare, die sich selbst als gleichberechtigt verstehen, den Schein der traditionellen Geschlechterrollen wahren, wenn Frauen mehr Stunden arbeiten und/oder mehr verdienen. Auch dann erledigen diese Frauen trotzdem den größeren Teil der Haus- und Sorgearbeit. Somit wird Männern trotz weniger Lohnarbeit und Einkommen die Rolle des Hauptverdieners verliehen – währen sie so tut, also ob sie mehr zeitliche Kapazitäten für die unbezahlten Arbeit habe.

Unehrlichkeit bei Gehaltsangaben

Diese eingefahrene Perspektive auf die eigene Rolle in einer Beziehung gibt es also tatsächlich. Allerdings erzählt sie absolut nichts über die "Wahrheit" des Gender Pay Gap. Denn EU-weit – und im Übrigen auch in der Schweiz – verlässt sich niemand auf eine Umfrage, sondern die Daten liefern Lohnstrukturerhebungen. Das ist beruhigend, denn aus Studien weiß man, dass Menschen dazu tendieren, sich bei den Angaben zu ihrem Gehalt oder zu ihrem Vermögen gern zur Mittelschicht hinzuschwindeln. Ärmere machen sich also etwas "reicher" und Wohlhabendere und sehr gut Verdienende "ärmer" ("What did you really earn last year? Explaining measurement error in survey income data" und "Selbsteinschätzung beim Vermögen").

Und der Faktor Geschlecht verkompliziert Angaben zum Einkommen, wie wir gesehen haben, noch zusätzlich. Trotzdem ergeben sich daraus für den Gender Pay Gap keine Verzerrungen, weil dessen Daten direkt von Unternehmen kommen. Diese müssen schließlich keine Rücksicht auf mögliche Kratzer an der "männlichen Identität" nehmen.

Somit haben wir noch immer dieselbe Wahrheit: Der Unterschied zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft beträgt im EU-Schnitt 16 Prozent, in Österreich sind es 19,9 Prozent (Zahlen von 2017). Dann gibt es noch Erhebungen, die Faktoren wie die Branchen, Bildungsgrad, Teilzeit oder Alter herausnehmen, nach denen die Lohnlücke bei 13,6 Prozent liegt. Welche dieser unterschiedlichen, aber durchwegs seriösen Zahlen man als aussagekräftig erachtet, um Lohndiskriminierung abzubilden – darüber gibt es nicht die "eine Wahrheit". Dass wir innerhalb der EU betreffend Gender Pay Gap aber eine ausgezeichnete Datenlage haben, das ist Fakt. Und an diesen Zahlen ändert auch Flunkern bei Gehaltsangaben nichts. (Beate Hausbichler, 12.2.2020)