Rotalgen kennt manch einer vielleicht von den "Nori"-Platten, in die man sein Sushi wickelt. Für Meeresbiologen sind die vielfältigen Algen, die besonders in Küstengebieten zu finden sind, von großer Bedeutung. Sie bilden ein Kalkskelett, das für die Stabilität von Korallenriffen sorgt. Als "Baumeister der Meere" bieten sie somit Lebensraum für andere Organismen.

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Korallen profitieren von den Kalkablagerungen der Rotalgen.
Foto: AP/Dror Komet

Komplizierte Verwandtschaftsbeziehungen

Bei Taxonomen sorgen Rotalgen jedoch für Kopfzerbrechen. Dieser Wissenschaftszweig versucht, die Vielfalt an Lebensformen und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen einzuordnen. Bei kalkigen Rotalgen stimmten die Klassifizierung nach Morphologie, also äußerlichen Merkmalsausprägungen, und molekularbiologischen Verfahren bisher nicht immer überein. "Wer Ökosysteme im Wandel und deren Auswirkungen untersuchen will, muss die Vielfalt der darin vorkommenden Organismen unterscheiden und richtig klassifizieren können", sagt Werner E. Piller vom Institut für Erdwissenschaften der Universität Graz.

Piller und seinem Kollegen Gerald Auer ist es nun gelungen, die Verwandtschaftsbedingungen von kalkigen Rotalgen anhand von Nanostrukturen in ihrem Zellinneren zu bestimmen. Die Ergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsjournals "Science Advances" veröffentlicht. Laut Piller würden sich damit – jenseits von molekularbiologischen Verfahren – neue Möglichkeiten zur Erforschung der Zusammenhänge zwischen Evolution und genetischer und morphologischer Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen eröffnen.

Nanokristalle eignen sich zur Einordnung

Die Grazer Wissenschafter blickten mit dem Rasterelektronenmikroskop tief ins Innerste der Kalkskelette der krustenbildenden Mehrzeller. "Die kalkigen Rotalgen verkalken ihre Zellwände, indem Nanokristalle ausgefällt werden. Diese Nanokristalle haben wir unter die Lupe genommen", schilderte Piller den neuen Ansatz.

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Manche Rotalgen machen ihrem Namen alle Ehre.
Foto: DPA/Ulrich Perrey

Bei der Analyse der Ergebnisse von Hunderten Rotalgenproben haben die Forscher tatsächlich morphologische Merkmale in Nanometer-Größe (ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter) gefunden. Die vielfältigen Kristallstrukturen haben sie erstmals beschrieben, klassifiziert und damit einen entsprechenden Stammbaum erstellt. "Unsere Ergebnisse sind deckungsgleich mit den molekularbiologischen Ergebnissen", hielt Piller fest. "Unsere Methodik erlaubt es, die morphologischen und DNA-basierten Stammbäume dieser wichtigen Organismengruppe zu vereinen."

Mit dem neuen Lösungsansatz werde es laut Piller leichter möglich, Antworten darauf zu bekommen, wie sich in den Genen gespeicherte Informationen der konkret im Erscheinungsbild der Organismen ausprägen, und inwieweit das mit Umweltveränderungen zusammenhängt. Aus der Sicht des Grazer Wissenschafters zeige die nanokristallgestützte Taxonomie auch großes Potenzial für die morphologische Artbeschreibung in vielen weiteren Organismengruppen. (red, APA, 13.2.2020)