Christoph Grabenwarter hat den Verfassungsgerichtshof bereits interimistisch geführt, kommende Woche wird er als Präsident angelobt.

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Der Aufstieg galt als sehr wahrscheinlich, um nicht zu sagen ausgemacht, nun ist es fix: Christoph Grabenwarter wird Präsident des Verfassungsgerichtshofs. Bisher war der 53-Jährige Universitätsprofessor für Öffentliches Recht, Wirtschaftsrecht und Völkerrecht Vizepräsident. Er übernahm die Geschicke des Höchstgerichts vorübergehend, als seine Vorgängerin Brigitte Bierlein wegen Ibiza und dessen Folgen als Kanzlerin einspringen musste. Beworben hatten sich insgesamt drei Personen für den Posten.

Der formelle Beschluss wurde am Mittwoch von ÖVP und Grünen im Ministerrat abgesegnet. Eine Woche später erfolgt die Angelobung des neuen Präsidenten durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Seit 15 Jahren Höchtsrichter

Grabenwarter wurde vor 15 Jahren unter Wolfgang Schüssel zum Verfassungsrichter bestellt und ist unter Sebastian Kurz (beide ÖVP) vor zwei Jahren zum Vizepräsidenten aufgestiegen. In Juristenkreisen genießt er einen hervorragenden Ruf.

Christoph Grabenwarter ist der neue VfGH-Präsident.
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Laut Verfassung werden Präsident und Vizepräsident des VfGH von der Bundesregierung bestellt. Da sich die Regierungsparteien aber selten auf einen Namen einigen können, wechseln sie einander bei der Nominierung meist ab. Häufig ist das schon Gegenstand der Regierungsverhandlungen. Denn wer wann nachbesetzt werden muss, ist absehbar. Mitglieder des Höchstgerichts scheiden in dem Jahr aus dem Amt aus, in dem sie das 71. Lebensjahr erreichen. Da Grabenwarter auf türkisem Ticket befördert wurde, sind nach Koalitionslogik die Grünen an der Reihe, einen Vizepräsidenten zu nominieren. Die Stelle muss innerhalb eines Monats nach Grabenwarters Angelobung ausgeschrieben werden.

Strenge Voraussetzungen

Wer das sein könnte, ist offen. Die Grünen suchen dezidiert nach einer Frau. Derzeit sind nur drei Richterinnen am Höchstgericht tätig. Für Präsident und Vizepräsidentin gelten strengere Voraussetzungen als für Verfassungsrichter. Sie müssen Universitätsprofessoren, Richter oder Verwaltungsbeamte sein. Mögliche Kandidatinnen sind nach STANDARD-Informationen Magdalena Pöschl, Professorin für Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Uni Wien, Verena Madner, Professorin für Öffentliches Recht an der Wiener Wirtschaftsuniversität, und Iris Eisenberger, Leiterin des Instituts für Rechtswissenschaften der Boku. Letztere habe bereits abgewunken.

Obwohl die einzelnen Verfassungsrichter Parteien zuzuordnen sind, können sich die Politiker nicht darauf verlassen, dass diese bei Abstimmungen einer Parteilinie folgen. Parteipolitik spielt bei Beratungen zumindest keine wesentliche Rolle, es wird nach juristischen Maßstäben abgewogen. Sichtbar wird das daran, dass derzeit eine rechtskonservative Mehrheit im Gremium besteht – aber eben nur auf dem Papier. Denn in den vergangenen Monaten wurden mit der Mindestsicherung und dem Überwachungspaket gleich zwei türkis-blaue Prestigeprojekte aufgehoben.

Schnittstelle zwischen Recht und Politik

Unpolitisch ist der Verfassungsgerichtshof trotzdem nicht. "Das zu glauben wäre naiv" sagt der Verfassungsjurist Alfred Noll im STANDARD-Gespräch. Der Verfassungsgerichtshof ist bewusst die Schnittstelle zwischen Recht und Politik, der Bestellmodus geht auf die 1920er-Jahre zurück. Der ehemalige Abgeordnete verweist darauf, dass Verfassungsgerichte weltweit politisch besetzt seien.

Kanzler Kurz hat in den vergangenen Tagen die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt und Postenschacher beklagt, am Bestellmodus für Verfassungsrichter will er aber nicht rütteln. Auch mehr Transparenz steht nicht auf der türkis-grünen Agenda. (Marie-Theres Egyed, Peter Mayr, 12.2.2020)