Die CX-52 war quasi das Urprodukt der Dechiffriermaschine der Crypto AG in den 1950er-Jahren, also in der Frühzeit des Kalten Krieges.

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Der Hauptsitz des Chiffriergeräte-Herstellers Crypto in Steinhausen.

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Dass Geheimdienste keinen Humor haben, kann man zumindest in diesem Fall nicht behaupten. Operation Rubikon ist der Name der in mehrfacher Hinsicht grenzüberschreitenden Aktion, bei der der deutsche BND und die US-amerikanische CIA über 23 Jahre lang (1970 bis mindestens 1993) die verschlüsselte Kommunikation von mehr als 130 Staaten belauscht haben sollen, darunter auch Österreich. Das Verteidigungsministerium in Wien gab am Mittwoch dazu keine Stellungnahme ab. Die Neos haben bereits eine parlamentarische Anfrage gestellt, erklärte der Abgeordnete Douglas Hoyos.

Im Zentrum der jetzt nach Medienrecherchen aufgedeckten Abhöraffäre steht die Schweizer Firma Crypto AG, die Dechiffriermaschinen baut. Mithilfe dieser Firma sei es gelungen, den Staaten manipulierte Technologie zu verkaufen und dann vermeintlich sichere Kommunikation abzuhören. Auch Österreich habe manipulierte Geräte gekauft, laut dem an der Recherche beteiligten ZDF-Redakteur Ulrich Stoll hat Wien allerdings deren "Knackbarkeit" bald erkannt.

Gerüchte, wonach die Crypto AG von den Geheimdiensten unterwandert sei, gibt es seit 1996. Unbekannt war bisher, dass CIA und BND seit 1970 zu gleichen Teilen Eigentümer der Crypto AG waren und Einnahmen in schwarze BND-Kassen flossen. Dies wurde über eine Liechtensteiner Treuhandfirma verschleiert.

Podcast: Wie die USA und Deutschland ihre Verbündeten abhörten.

Ein Stück sicherer

Bernd Schmidbauer, der unter dem deutschen Kanzler Helmut Kohl von 1991 bis 1998 Kanzleramtsminister und als solcher für die Geheimdienste zuständig war, bestätigte die gemeinsamen Abhöraktionen am Dienstag. "Die Aktion Rubikon hat sicher dazu beigetragen, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben ist", sagte er in der ZDF-Sendung Frontal 21, deren Redakteure gemeinsam mit der "Washington Post" und dem Schweizer Fernsehen Einblick in die Akten hatten. Darin heißt es: "Diplomatische und militärische Verkehre vieler wichtiger Länder der Dritten Welt, aber auch europäischer Staaten konnten (…) flächendeckend mitgelesen werden."

Seit 100 Jahren ist Crypto AG ein klingender Name im Geheimdienstbusiness. Seit ihrer Gründung im Jahr 1922 in Schweden hat die Crypto AG Dechiffriermaschinen gebaut. 1941 wurden erste Geräte für das US-Militär lizenziert, 1952 übersiedelte die Firma schließlich in die Schweiz. Viele Länder bestellten schon zu Beginn des Kalten Krieges Geräte für eine verschlüsselte Kommunikation, die bei Militärs oder in Auslandsbotschaften eingesetzt wurden. Für die Technik sorgte laut den aktuellen Medienberichten Siemens. Der Münchner Elektronikkonzern soll den Vorstand bei der Crypto AG gestellt haben, neben diesem waren nur zwei Mitarbeiter eingeweiht. Das Schweizer Geschäft heißt heute übrigens Cy One Security AG. Die internationale The Crypto Group AG ist seit Jahren wieder in schwedischem Besitz.

Brisante Informationen

Aus den aktuell bekannt gewordenen Dokumenten lässt sich beispielsweise ablesen, dass die Geheimdienste früh über Menschenrechtsverletzungen durch die Militärjunta in Argentinien informiert waren. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (1974 bis 1982) schwieg, Deutschland nahm 1978 an der Fußball-WM in Argentinien teil. Im ZDF-Bericht heißt es auch, die USA hätten nach dem Bombenattentat auf die Westberliner Diskothek La Belle im Jahr 1986 nur deshalb so schnell Libyen verantwortlich machen können, weil der damalige Diktator Muammar al-Gaddafi "ein Großkunde" der Crypto AG war. Damals starben drei Menschen, mehr als 200 wurden verletzt. 2004 zahlte Libyen an die Opfer 35 Millionen Dollar Entschädigung. Die Frage, ob BND und CIA die Anschlagspläne gekannt hätten, verneinte Schmidbauer.

Geheimdienstexperte Siegfried Beer bezeichnet die Abhöraffäre als "größten Spionagefall der Weltgeschichte".
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Bis zum Ausstieg der Deutschen im Jahr 1993 verdiente der BND gut mit der Firma. Regierung und Bundestag sollen davon nichts gewusst haben. Grüne und Linke fordern nun von der heutigen deutschen Regierung Aufklärung. Schweizer Politiker wollen einen Untersuchungsausschuss über das Ausmaß der Affäre. Auf der Firmenseite der Crypto Group hieß es am Mittwoch: "Wir haben keine Verbindung zu CIA oder BND und hatten auch nie eine." (Birgit Baumann aus Berlin, Manuela Honsig-Erlenburg, Michael Simoner, 12.2.2020)