Da läuft nichts mehr: Die Aufsichtsrätin (Petra Strasser) und der Musicalstar (Raphael Nicholas).

Anna Stöcher

Süßes Mädel, Dirne, Stubenmädchen – mit diesen Rollenbezeichnungen kann man am Theater heute keine Meter mehr machen. Deshalb hat das Wiener Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG) im Fall von Arthur Schnitzlers Reigen (uraufgeführt 1920) auf eine neu überschriebene Version des Stoffes zurückgegriffen. In Thomas Richters Drama sind es nun eine Sexarbeiterin, eine Orgasmic-Yoga-Trainerin, eine Filmeditorin oder eine Aufsichtsrätin, die sich mit dem Sex-Problem konfrontiert sehen. Aber auch die Männerrollen haben sich geändert: Sexarbeiter, Human-Resource-Manager, Musicalstar.

Die in Schnitzlers Reigen variierten Sexanbahnungsgespräche variiert Richter in der Gegenwart: Wie komme ich heute unter welchen Spielregeln zum Beischlaf? Damit sind über ein Dutzend Figuren befasst. Innerhalb der verschiedenen Konstellationen ist die eheliche Bettszene nicht die schlechteste. Nicht dass es hier zum Akt käme, aber die Eheleute analysieren durchaus beschwingt ihr Dilemma der "asexuellen Monogamie".

No Sex beim Casual Date

Motto dieses Reigens ist also "No sex". Keine der Begegnungen führt zum Ziel – weder über ein Casual Sex Date samt Formular noch über ein Machtverhältnis und auch nicht über eine zufällige Barbekanntschaft. Man kann das auch als Diagnose werten, so wie sie etwa Toshiki Okada in seinem Stück No Sex an den Kammerspielen München stellte. Sex macht heute scheinbar nur Probleme. Das war ja schließlich auch die Crux bei Arthur Schnitzler.

Dora Schneider inszeniert die Szenenfolgen rund um ein mittiges Bettpodest, baut in schnelle Wechsel ruhige Momente ein. Und dennoch wird der Abend durch seine kabarettistische Note entwertet. Auch kommt er um oberflächliche Stereotype nicht herum. (Margarete Affenzeller, 13.2. 2020)