Ärzte haben nicht unbedingt Aussicht auf bessere finanzielle Ausstattung durch die Kasse.

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Wien – Der Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof hielt die Sozialversicherungsreform stand. Sie wurde im Dezember nur teilweise aufgehoben. Das Herzstück, die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zu einer Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), wurde bestätigt.

Die Zusammenlegung der Krankenkassen in eine österreichische Gesundheitskasse war das Prestigeprojekt von Türkis-Blau. Statt der versprochenen Patientenmilliarde ist die ÖGK jetzt aber tief im Minus. Nun soll der Gürtel enger geschnallt werden – Leistungen für Patientinnen und Patienten sollen aber nicht gekürzt werden.



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Doch nun gerät die Gesundheitskasse, die am 1. Jänner ihre Arbeit aufgenommen hat, wieder in die Kritik. Ein fettes Minus droht. 175 Millionen Euro sollen es in diesem Jahr sein, bis zum Jahr 2024 soll dieses auf 544 Millionen Euro ansteigen. Das steht in der Gebarungsvorschau der ÖGK.

Überhaupt rechnen die Verantwortlichen in der ÖGK in den nächsten vier Jahren mit ständigen Verlusten, obwohl der Konsolidierungspfad der vergangenen Jahre schon Richtung Plus gegangen war. 2018 erzielten die Gebietskrankenkassen noch einen Überschuss von 75 Millionen Euro. Der Grund dafür waren aber auch Zahlungen des Bunds an die Gebietskrankenkassen, aus dem sogenannten Krankenkassenstrukturfonds. Die jährlichen Zahlungen von zehn Millionen Euro sind aber bereits 2018 ausgelaufen. Im Vorjahr erreichten die Kassen wieder ein Defizit in der Höhe von 50,7 Millionen Euro.

Kritik von Dachverbands-Chef

Der Vorsitzende im Dachverband der Sozialversicherungsträger, Peter Lehner, macht für die steigenden Defizite in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) "die Beschlüsse der roten Selbstverwaltung" verantwortlich. Die Reform mit der Zusammenlegung der Träger sei "definitiv nicht" schuld an den Verlusten, sagte Lehner. Hilfe von außen für die ÖGK lehnt er ab. Vor der Fusion sei von den Gebietskrankenkassen "sehr willkürlich ohne Rücksicht auf die Budgets Geld ausgegeben" worden, kritisierte Lehner.

Rote Zahlen

Im kommenden Jahr soll das Minus von 175,3 Millionen auf 178,1 Millionen Euro ansteigen. Für 2022 sind es bereits 295 Millionen Euro, im Jahr darauf 507,9 Millionen und 2024 wird das Defizit laut Plan 544 Millionen Euro ausmachen. Über fünf Jahre gerechnet ergibt das einen Bilanzverlust von 1,7 Milliarden Euro.

Demgegenüber stehen Rücklagen in der Höhe von 1,37 Milliarden Euro. Das ergibt eine parlamentarische Anfrage der SPÖ an Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne).

Schwache Konjunktur

Dem drohenden Defizit will man in der ÖGK gegensteuern. Generaldirektor Bernhard Wurzer kündigte einen Konsolidierungspfad an. Leistungskürzungen sollen aber nicht Patienten betreffen, vielmehr will Wurzer bei künftigen Honorarverträgen für Ärzte und andere Gesundheitsdienstleister ansetzen. Beim geplanten Gesamtvertrag für Ärzte ist zwar weiterhin eine Harmonisierung geplant, aber nicht alle Leistungen könnten auch nach oben angepasst werden.

Als Ursache für das hohe Minus sieht der ÖGK-Chef die schwächer werdende Konjunktur, Verantwortung würden aber auch die früheren Gebietskrankenkassen tragen. Sie hätten über ihre Verhältnisse gelebt.

Kritik von Opposition

Scharfe Kritik kommt von der Opposition. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sieht einen "gesundheitspolitischen Skandal". ÖVP und FPÖ hätten die Sozialversicherungen zerschlagen, dadurch drohe ein finanzielles Desaster und Leistungskürzungen für Patienten. In seiner Kritik bestätigt fühlt sich auch Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Die neue Kassenstruktur habe zu einem Mehrklassensystem geführt. Man müsse den Versicherten endlich "reinen Wein einschenken". (Marie-Theres Egyed, 13.2.2020)