Schwere Lederhose, migränefördernde Perücke: Franz Adrian Wenzl (hier mit Salka Weber als "Eurydice") gibt im Rabenhof den Hühnerbrustgott "Jim Morrison".

Foto: Ingo Pertramer

Zehn Uhr in der Früh ist für einen heimischen Superstar wie Austrofred einerseits eine Zeit, in der man sich in einem auf Rock 'n' Roll spezialisierten Lokal am Wiener Naschmarkt überlegt, ob man nicht langsam von Bier auf Kaffee umsteigen und dann heimfahren sollte. Dann bestellt man aber doch noch einen Wodka.

Andererseits ist Franz Adrian Wenzl, der Mann hinter Austrofred, auch Familienvater und halbwegs disziplinierter Rockmusiker bei Kreisky. Der brüllt Texte wie "Wann sind wir endlich daheim? Wir sind nie daheim!", sitzt aber meistens doch immer daheim und macht Dutzidutzi mit dem Kind.

Diese Disziplin ist gut, weil gleich ein harter Probentag beginnt. Wenzl gibt im Wiener Rabenhof ab Freitag den Jim Morrison in einer poppig-trashigen Musicalbearbeitung der Jacques-Offenbach-Operette Orpheus in der Unterwelt.

STANDARD: Das Musical gilt bei Rock 'n' Rollern als niederste Kunstform. Es droht mit viel Pech am Karriereende. Man weiß, da wird nichts mehr kommen. Von Ihrem Idol Freddie Mercury und Queen gibt es ein Musical, von Falco, von David Bowie. Warum tun Sie sich das in Ihrer Doppelfunktion als Superstar Austrofred sowie als Sänger von Kreisky an?

Wenzl: Freddie Mercury konnte sich gegen diese Nachverwertung seiner Hits nicht mehr wehren. Er war tot. Dieses künstliche Zusammenschustern ist tatsächlich die niedrigste Form des Musicals. Interessant bei Orpheus in der Unterwelt ist ja, dass die Operette von Jacques Offenbach als Persiflage auf Christoph Willibald Glucks ernsthafte Oper Orpheus und Eurydike angelegt war. Wir machen jetzt nicht eine Persiflage der Persiflage daraus, wir tauschen aber den Kontext aus. Die Götter werden durch Rockstars ersetzt. Wenn die Oper ernsthafter Rock ist, der alles niederbrennt, und die Operette die augenzwinkernde Popversion davon, dann befinden wir uns ungefähr in der Mitte.

STANDARD: Insofern ist es gescheiter, wenn der Franz Adrian Wenzl auf der Bühne steht und nicht der Austrofred, mit dem Sie ständig verwechselt werden. Das würde dann mit der Metaebene zu kompliziert werden.

Wenzl: Ja, da würde ich mich dann selber nicht mehr auskennen. Das wäre mir zu viel.

STANDARD: Befürchten Sie als Musicaldarsteller nicht, Glaubwürdigkeit als Gift und Galle spuckender Kreisky-Sänger zu verlieren?

Wenzl: Nein, wenn wir vier von Kreisky über uns nachdenken, was Gott sei dank eh nicht oft vorkommt, kommen wir drauf, dass wir eine Rockband mit den Mitteln des Pop sind. Augenzwinkern ist auch so ein geschissenes Wort, aber es gibt eine Ebene bei Kreisky, die nicht authentisch ist. Ich persönlich wollte auch etwas Neues lernen. Da geht man dann halt vom Rock einmal woanders hin, zum Beispiel zum Musical. Als ich einst Prinz war in Arkadien ist ja auch ein schönes Lied, ich bekomme jedes Mal Tränen in den Augen.

STANDARD: Vorsichtig formuliert sind Sie kein großer Sänger. Wie kommen sie mit den Liedern von Jim Morrison und The Doors zurecht? Der Mann war ja stimmlich eher kräftig aufgestellt.

Wenzl: Die Nummern sind recht kurz. Ich singe die Reader's-Digest-Version von Break On Through To The Other Side! Außerdem üben wir. Das größere Problem für mich war die Schauspielerei. Ich komme als Austrofred ja mehr vom Stand-up-Performen.

STANDARD: Sie wurden im Orpheus gegen Ihren Typ besetzt. War Jim Morrison nicht etwas bäriger gebaut und stärker behaart?

Wenzl: Morrisons Pathos kommt mir sehr entgegen. Außerdem trage ich eine extrem schwere Lederhose und eine migränefördernde Perücke. Das gleicht viel aus. Klar, dass der Jim Morrison zum Saufen angefangen hat.

STANDARD: Nicht nur.

Wenzl: Aber auch.

STANDARD: Angesichts von Evergreens im Orpheus wie dem Cancan nehme ich an, dass Sie auch nach Choreografie tanzen müssen.

Wenzl: Jaaa, mittlerweile geht das ganz gut. Das war auch so eine Herausforderung, der ich mich bewusst gestellt habe. Weil man gesund bleiben muss, habe ich einmal einen Bauch-Beine-Po-Kurs gemacht und war bei den Synchronübungen immer eine halbe Sekunde hintennach. Das ist jetzt besser geworden.

STANDARD: Man muss also nicht mit dem Männerballett aus dem Villacher Fasching rechnen?

Wenzl: Ein gewisser Anteil ist vorhanden, aber: nein. Wir folgen den goldenen Regeln der Komödie: Wenn etwas nicht so gut hinhaut, dann wird auf das Tempo gedrückt. Ordentlich albern ist das alles schon. Aber das soll es ja auch sein.

STANDARD: Bei Rockern gilt das Proben nicht gerade als hochangesehen. Wie tun Sie sich damit?

Wenzl: Bei Kreisky gilt der klassische Grundsatz: Wer probt, übt nur das Proben. Auf Tour ist das Wien-Konzert immer erst am Schluss, davor spielen wir eh nur in den Bundesländern, haha! Bei manchen Liedern habe ich dann halt bei den ersten drei Konzerte einen Textzettel in der Hand, beim vierten brauche ich ihn nicht mehr. Das geht beim Orpheus leider nicht. Hier geht es ums Ganze. (Christian Schachinger, 14.2.2020)