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Wir wollen ja nicht, dass Jeff Bezos in der Hitliste der Weltreichsten auf den zweiten Platz abrutscht!

Foto: AP / Pablo Martinez Monsivais

Ist es nicht erhebend zu wissen, dass wir in einer Welt leben, wo alles, was wir tun oder lassen, getreulich aufgezeichnet wird? Wo immer wir gehen, stehen, liegen, sitzen, kaufen, schlafen oder wachen, sind die Chancen hervorragend, dass ein unbekannter Dritter (und meist auch ein Vierter, Fünfter ...) mit dabei ist und jahraus, jahrein protokolliert: Google, Apple, Facebook, Amazon usf.

Und wenn den Genannten versehentlich etwas entgeht, springt ja vielleicht die Schweizer Crypto AG mit ihren trojanischen Gerätschaften ein.

Die Ergebnisse dieser Observationswut sind für die Observierer enorm einträglich, für uns Observierte ist die Lage beklemmend und manchmal auch lächerlich. Wen hätte es früher interessiert, wie schnell Sie beim Lesen umblättern?

Wie wäre man mit einem Kiebitz verfahren, der hinter dem Lesesessel Platz genommen, einem über die Schulter geschaut und aufgeschrieben hätte, wie flott es mit der Lektüre vorangeht? Man hätte ihn zur Ordnung gerufen, wenn nicht geohrfeigt.

Vermarktbare Tiefenprofile

Bei Lesegeräten, die nimmermüd mitverfolgen, was und wo und wie wir lesen, und daraus vermarktbare Tiefenprofile unseres Verhaltens fabrizieren, ist uns alles wurscht. Wir wollen ja nicht, dass Jeff Bezos in der Hitliste der Weltreichsten auf den zweiten Platz abrutscht!

Vermutlich schickt Alexa, wenn Sie heute Abend in Ihrem Wohnzimmer pupsen, Ihren Pups in Bezos’ großes Pupsarchiv, und der wird diesen Vapeur dann im Jahr 2035 ausheben, wenn er sich irgendwie zu Geld machen läßt.

Vermutlich gibt es heute auf der Erde nicht mehr als drei oder vier Orte, wo man vor Spechtlern, Schnüfflern und Lauschern geschützt ist: ein Hohlraum unter einem Stein in Nordkorea, die hinterletzte Höhle im Tora-Bora-Massiv oder Litschau im Waldviertel. Überall sonst ist man dem Tracking ausgesetzt.

Man hört – Genaues weiß man nicht – von Ultraschall-Spyware oder Apparaturen im Laptop, die jede Wischbewegung auf dem Display Länge mal Breite aufnehmen und zur Analyse weiterschicken. Was kommt als Nächstes?

Digitale Häuslratzn mit extraempfindlichen Sensoren, die Wischgeräusche auf der Toilette zur allfälligen Vermarktung ausspähen? Wenn dem so sein sollte: keine Sorge. Glauben Sie einfach, was Ihnen unsere Datensammler treuherzig versichern: Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten. Stimmt hundertpro! (Christoph Winder, 15.2.2020)