Lektion 1: Die Entscheidung fällt

Bei einem legendären Frühstück am 2. Juli 2002 entscheidet sich die schwarz-blaue Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) einstimmig, anstelle der veralteten Draken hochmoderne Eurofighter anzuschaffen – trotz bis dahin anderslautender Präferenzen. Zuvor galt Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ, dann ÖVP-nominiert) als Befürworter der amerikanischen F-16, Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ, später BZÖ) favorisierte angeblich den schwedischen Gripen. Ein Jahr später, am 1. Juli 2003, wird mit EADS, heute Airbus, der Vertrag über die neuen Abfangjäger unterzeichnet, vereinbart wird die Lieferung von achtzehn Eurofightern der Tranche zwei. Kostenpunkt der Anschaffung: fast zwei Milliarden Euro. Die Gegengeschäfte sollen laut Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) den doppelten Wert betragen, etwa vier Milliarden Euro. Doch es kommt alles völlig anders als geplant.

Drei U-Ausschüsse, aber nur einen Staatsanwalt hat der Eurofighter lange Jahre beschäftigt – nun rufen wieder alle Parteien nach rascher Aufklärung.
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Lektion 2: Erster U-Ausschuss prüft

Im Herbst 2006 bringen SPÖ, FPÖ und Grüne, allen voran der lauteste Eurofighter-Gegner Peter Pilz, gegen die Stimmen der damaligen Regierungsparteien ÖVP und BZÖ den ersten von insgesamt drei U-Ausschüssen durch. Acht Monate lang werden Kaufentscheid und Gegengeschäfte durchleuchtet: Im April 2007 wird der für die Einführung der Eurofighter zuständige Chef der Luftstreitkräfte, Erich Wolf, vom Dienst suspendiert und angezeigt, weil eine Zahlung in der Höhe von 87.600 Euro des EADS-Lobbyisten Erhard Steininger an die Firma seiner Frau auffliegt. Auch andere Zahlungen werden publik: Der EADS-Mann Steininger hat auch sechs Millionen Euro an die Agentur des FPÖ-nahen Werbers Gernot Rumpold gezahlt, deren Gegenleistungen bis heute Fragen aufwerfen. Für eine einzige Pressekonferenz wurden etwa 96.000 Euro in Rechnung gestellt – Rumpold rechtfertigte den Preis mit der Anschaffung von Rednerpulten und mundgeblasenen Weingläsern als Giveaways. Trotz alldem drehen im Juli 2007 SPÖ und ÖVP, mittlerweile miteinander in Koalition, die Untersuchung mit Mehrheitsbeschluss ab. Kurz davor handelt der Heeresminister Norbert Darabos (SPÖ) mit dem Eurofighter-Hersteller noch eine Reduktion der Stückzahl aus: Statt achtzehn Abfangjägern werden nur fünfzehn geliefert.

Auch als Podcast: Nina Weißensteiner erklärt die Eurofighter-Affäre.

Lektion 3: Einstellung trotz Gerede

Vier Jahre später, im Frühjahr 2011, wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Wien die Strafverfahren gegen den mittlerweile pensionierten Airchief Wolf, dessen Ehefrau und den EADS-Lobbyisten Steininger sowie gegen das Ehepaar Rumpold eingestellt hat. Wie ein einsamer Rufer in der Wüste prangert der grüne Aufdecker Peter Pilz trotzdem immer wieder schmierige Zahlungen rund um den Jet-Deal an. Dank einer Festnahme in Rom, ebenfalls im Jahr 2011, geht den italienischen Behörden ein Manager namens Gianfranco Lande ins Netz, der sich auf das Konstruieren von Briefkastenfirmen spezialisiert haben soll. Pilz recherchiert vor Ort. Er findet heraus, dass Lande gegenüber den italienischen Behörden angegeben hat, dass über die Londoner Briefkastenfirma Vector Aerospace, die der Eurofighter-Hersteller EADS gegründet haben soll, zig Millionen Euro in dunkle Kanäle geflossen seien. Angesichts dieses dubiosen Firmengeflechts richtet Verteidigungsminister Darabos 2012 eine Taskforce zur Causa in seinem Ressort ein. Parallel dazu kommt es wieder zu Ermittlungen der Strafbehörden – bei der Staatsanwaltschaft Wien ist mit der hochkomplexen Causa lange Zeit allerdings nur ein Staatsanwalt betraut. Nun geht es nicht mehr nur um mögliche Korruption rund um den Jet-Kauf, sondern auch um mögliches Schmiergeld bei den Gegengeschäften.

Lektion 4: Doskozil übernimmt

Kurz nach seinem Amtsantritt als Verteidigungsminister drängt Darabos’ Nachfolger Hans Peter Doskozil (SPÖ) Anfang 2016 die Taskforce in seinem Haus zu einer intensiveren Suche nach Beweismitteln – jedoch ohne dies an die große Glocke zu hängen. Dabei kommt es unter dem roten Minister auch zur Kooperation mit dem Immer-noch-Grünen Pilz. Im Februar 2017 lässt Doskozil dann eine Bombe platzen: Auf Basis der Recherchen seiner Eurofighter-Taskforce erstattet die Republik Betrugsanzeige gegen den Lieferanten, mittlerweile Airbus, denn: Zum einen sei der Hersteller beim Vertragsabschluss 2003 gar nicht in der Lage gewesen, die vereinbarten Flugzeuge mit entsprechender Konfiguration zu liefern – man bekam solche der Tranche eins, vereinbart war Tranche zwei. Zum anderen seien 183,4 Millionen, also fast zehn Prozent des Kaufpreises, in fragwürdigen Kanäle versickert – etwa im Vector-Netzwerk. Nach der Anzeige lässt Doskozil unter rechtlicher Beratung der Finanzprokuratur auch entsprechende Unterlagen an die US-Behörden übermitteln, konkret an das US-Justizministerium, weil von der Causa auch US-Konten betroffen sind. Von der FPÖ und Grünen forciert, von Doskozil unterstützt, richten die Parteien erneut einen U-Ausschuss ein, doch im Frühjahr 2017 sprengt der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz die Koalition mit der SPÖ in die Luft. Wegen der Neuwahl wird auch der zweite U-Ausschuss vorzeitig gestoppt.

Lektion 5: Hin und Her in der Justiz

Anfang 2019, der dritte U-Ausschuss ist gerade angelaufen, wird bekannt, dass die Verfahrensführung von Michael R., seit Jahren einziger zuständiger Staatsanwaltschaft in der Causa, wegen möglicher Mängel strafrechtlich überprüft wird, auch die Disziplinarbehörde wird eingeschaltet – bis heute liegen dazu keine offiziellen Ergebnisse vor. Unter anderem steht R. im Verdacht, Informationen an Pilz weitergereicht zu haben – es gilt die Unschuldsvermutung. Das Eurofighter-Verfahren wandert zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Im Frühjahr 2019 kommt es zwischen den Korruptionsjägern und Strafsektionschef Christian Pilnacek zum Streit: Die Behörde drängt auf mehr Ressourcen, Pilnacek rät, aussichtslose Stränge zu "derschlagen" und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Im U-Ausschuss wird von den Neos der Waffenlobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly als Beschuldigter in der Causa geoutet – eine offizielle Bestätigung dafür steht bis heute aus. In der letzten Sitzung des U-Ausschusses im Juni 2019 fördern die Neos außerdem unter den abertausenden gelieferten Akten einen 1,5-Millionen-Euro Scheck für die Ex-Politikerin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (FPÖ, dann BZÖ, dann Team Stronach) aus dem Jahr 2006 zutage – dessen Echtheit die Justiz noch klären muss. Gemäß einem weiteren Dokument soll Vector davor an "unbekannt" exakt 1,5 Millionen gezahlt haben. Auch tauchen Tonbänder von Kaufmann-Bruckberger auf, auf denen sie 2006 der halben Republik unterstellte, von Rumpold Geld erhalten zu haben. Alle Genannten dementieren, unter anderem Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), der einstige Wiener Bürgermeister Michael Häupl (ebenfalls SPÖ) und Ex-Verteidigungsminister Scheibner. Die Motivlage von Kaufmann-Bruckberger gilt bis heute als unklar. Pilz, zwischendurch Listengründer, jetzt Herausgeber von Zackzack.at,treibt diesen Strang in der Causa voran.

Lektion 6: Das Eingeständnis

Mit Februar 2020, konkret am vorigen Wochenende, ereilt Österreich die Nachricht, dass Airbus gegenüber den US-Behörden unlauteres Verhalten im Zuge des Jet-Deals eingestanden hat. In der Vereinbarung mit dem US-Justizministerium ist festgehalten, dass man es verabsäumt habe, Zahlungen in Höhe von 55 Millionen Euro zu deklarieren – zwei in den US-Akten genannte Beträge, deren Empfänger anonymisiert sind, erinnern stark an EADS-Mann Steininger sowie an Wolf & Co. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft gibt bekannt, dass gegen rund sechzig namentlich bekannte Beschuldigte, dazu weitere Unbekannte, ermittelt wird – davon leitete die Behörde seit Übernahme des Verfahrens Ermittlungen gegen rund 25 Beschuldigte ein. Die USA wurden – wie zuvor schon andere Staaten – um Rechtshilfe gebeten, Ausgang unbekannt. Mit aktuellem Stand arbeiten vier Staatsanwälte und ein Wirtschaftsexperte unter der Leitung eines Mitglieds der Oberstaatsanwaltschaft an der Causa. Insider gehen davon aus, dass noch heuer über Anklagen oder Einstellungen entschieden wird. Die Parteien bringen wieder einen Vertragsausstieg, das Aus für die Eurofighter, ins Spiel – erstmals auch die ÖVP. (Fabian Schmid, Nina Weißensteiner, 15.2.2020)