Staatsanwältin Nittel klagt den "Kurier" – schon zum zweiten Mal in derselben Sache.

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  • Update: Dieses Verfahren Maria-Luise Nittels gegen "kurier.at" endete mit einem Unterlassungsvergleich mit der "kurier.at"-Trägerfirma, "kurier.at" veröffentlichte den Widerruf.

Die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien, Maria-Luise Nittel, wird den "Kurier" klagen – und das schon zum zweiten Mal in derselben Sache. Schon 2011 erwirkte sie beim "Kurier" eine Gegendarstellung, dass sie 1997 zu einem Treffen über SPÖ-Personalpolitik in der Justiz weder eingeladen war noch dort anwesend. Der "Kurier" berichtete über die – nun von der ÖVP wieder verbreiteten – Unterlagen und Behauptungen in der Nacht auf vorigen Samstag wieder. Übrigens unter heftigem Protest des "Kurier"-Redakteursausschusses.

Kurz' Grant über die Justiz

Die Vorgeschichte: Sebastian Kurz beschwerte sich – zunächst in einem Hintergrundgespräch vor Journalisten – über die aus seiner Sicht von der SPÖ unterwanderte Justiz, die nur ÖVP- und FPÖ-Leute verfolge und Informationen über sie an die Medien spiele. Der "Falter" berichtete über die Kanzler-Beschwerde aus dem Hintergrundgespräch, die ÖVP brachte, wohl zum Nachweis, ein Protokoll von 1997 über ein Treffen in der Anwaltskanzlei von Gabriel Lansky in Umlauf, in dem es um SPÖ-Personalpolitik in der Justiz ging. In dem Protokoll steht auch Nittels Name.

In der Nacht auf vorigen Samstag, nach Mitternacht, erschien auf "kurier.at" die Story mit mehreren Faksimiles aus dem Protokoll von 1997. "Streit um die Justiz: Wie die SPÖ ihr Personal unterbringen wollte". Untertitel: "Unterlagen belegen, dass die SPÖ schon im Jahr 1997 generalstabsmäßig ihren Einfluss bei Richtern und Staatsanwälten ausbauen wollte". Im Artikel wird Nittel als Teilnehmerin und Beispiel genannt.

Schon einmal Gegendarstellung

Das tat der "Kurier" allerdings nicht zum ersten Mal, und nicht zum ersten Mal klagte Nittel die Zeitung deshalb: 2011 endete ihre Klage auf Gegendarstellung mit einem Vergleich – die Zeitung erklärte sich bereit, die Gegendarstellung Nittels zu bringen und ersparte sich so eine Verurteilung. Anwalt Lansky hatte gegenüber dem "Kurier" damals schon erklärt, dass Nittel zum Treffen weder eingeladen war noch daran teilgenommen habe. Das stand dann auch in der Gegendarstellung.

Das wusste der Autor des – laut APA-Datenbank um 1.13 Uhr publizierten – Artikels womöglich nicht. Nittel hätte ihm das sagen können, doch sie wurde nach Auskunft ihrer Anwältin (Maria Windhager, sie vertritt auch den STANDARD) vor der Veröffentlichung nicht kontaktiert. Die Politikredaktion des "Kurier" wollte die Unterlagen und Behauptungen noch prüfen und veröffentlichte sie nicht, wie offenbar beauftragt, in der Samstagausgabe.

Nächtlicher Einsatz

Daraufhin wurde, soweit sich das von außen rekonstruieren lässt, Richard Grasl in der Nacht auf Samstag aktiv und schrieb die Onlinestory, die ohne Autorennamen erschienen ist. Der frühere ORF-Generalskandidat der ÖVP ist Mitglied der Chefredaktion des "Kurier", zuständig für Online und Bewegtbild.

Redakteursausschuss protestiert

Der Redakteursausschuss des "Kurier" hat inzwischen vehement bei der Chefredaktion und der Geschäftsführung gegen die Veröffentlichung ohne weitere Rücksprache mit dem zuständigen Ressort protestiert. Die Stellungnahme verweist auf Widersprüche zu den redaktionellen Richtlinien und dem Redaktionsstatut des "Kurier", die Vorgangsweise widerspreche korrekter und seriöser Berichterstattung, der gebotenen Qualität, Distanz und der journalistischen Sorgfaltspflicht.

Der Artikel sei teilweise "tendenziös" formuliert, er gebe vor, die Dokumente wären neu, er stelle sie nicht ausreichend in einen Zusammenhang. Um Qualität und Sorgfalt künftig zu gewährleisten, müssten alle redaktionellen Artikel klar gekennzeichnet sein, lange Artikel mit vollem Namen, die zuständigen Ressortleiter müssten über die Veröffentlichung informiert werden.

"Schwerwiegender Verstoß"

Einen "schwerwiegenden Verstoß gegen die journalistische Sorgfalt" sieht auch Nittels Anwältin Maria Windhager: "Das habe ich in der Form noch nie gehabt, dass ein Medium wider besseres Wissen nicht die Wahrheit schreibt."

Denn am Samstag informierte die Leiterin der Stabsstelle Kommunikation im Justizministerium, Christine Ratz, sowohl den "Kurier" als auch "Oe24", dass die Informationen über Nittels Teilnahme nachweislich falsch seien und verlangte eine Richtigstellung. "Oe24" und "Kurier" ergänzten in ihren Artikeln lediglich, dass Nittel die Teilnahme dementiere, der "Kurier" verwies und verlinkte auch auf die – online noch abrufbare – Gegendarstellung von Nittel aus dem Jahr 2011.

Klage auf Unterlassung und Widerruf

Eine Richtigstellung sieht anders aus, sagt Medienanwältin Windhager – grob zusammengefasst: Das Medium müsste klarstellen, dass der behauptete Sachverhalt so nicht stattgefunden hat und die Darstellung unrichtig war. Ein Dementi zu zitieren reiche dafür nicht aus.

Windhager hat Nittel schon 2011 gegen den "Kurier" vertreten. Sie wird den "Kurier" nun auf Unterlassung und Widerruf klagen.

  • Update 19. Februar 2020, Stellungnahme Salomon: "Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon erklärte dem "Falter" zu dem Vorfall: "Selbstverständlich war alles mit mir abgesprochen und nichts erfolgte gegen den Willen des Ressorts. Bei der Online-Berichterstattung über das sogenannte Lansky-Protokoll konnte sich keiner der Dienst habenden an den neun Jahre zurückliegenden Gerichtsentscheid erinnern." Niemand habe "wider besseres Wissen" (Windhager) gehandelt, deshalb habe man die seinerzeitige Verfügung online auch gleich ergänzt.

(Harald Fidler, 14.2.2020)