Angela Merkel hat die CDU sehr lange, 18 Jahre, geführt. Annegret Kramp-Karrenbauer war nur 14 Monate an der Spitze. Jetzt wird ein Mann übernehmen. Aber wer?

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Zum Sturmtief Sabine, das Anfang der Woche über Deutschland fegte, kam am Montag noch ein politischer Orkan. Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte nach nur 14 Monaten an der CDU-Spitze an, den Parteivorsitz zurücklegen zu wollen und auch die Kanzlerkandidatur für die nächste Wahl nicht mehr anzustreben.

Ausschlaggebend war, dass sich die CDU in Thüringen bei der Wahl des Ministerpräsidenten erstmals auf die Seite der rechten AfD gestellt und gemeinsam mit ihr für den FDP-Mann Thomas Kemmerich gestimmt hatte.

Das wirkte am Freitag nach: Nach den Querelen erklärte auch Thüringens CDU-Chef Mike Mohring seinen Rückzug. AKK wird aber noch so lange im Amt bleiben, bis die Nachfolge in Berlin geklärt ist.

Problem 1: Suche unter Zeitdruck

"Wenn ich richtig gezählt habe, ist das jetzt der siebente Versuch", ätzt Ex-Fraktionschef Friedrich Merz am Donnerstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung in Berlin Richtung Moderator.

Dieser hatte versucht, Merz zu entlocken, ob er nun bereit sei, seinen Hut in den Ring zu werfen. Einige Medien hatten dies schon gemeldet. Doch Merz bleibt vage und meint nur: "Ich habe Freude mitzumachen."

Ex-Fraktionschef Friedrich Merz bleibt vage, wenn es um die Frage seiner möglichen Übernahme der Parteiführung geht.
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Das bringt ihm viel Applaus ein, Merz sitzt unter Mittelstandsvertretern, und diese zählen auf ihn. Er jedoch erklärt, dass das personelle und das inhaltliche Angebot stimmen müssen. Denn: "Die Union hat nur noch einen Wurf frei, der muss sitzen." Daher sei es wichtig, sich Zeit zu nehmen.

Aktuell laufen die Gespräche, doch der Druck steigt täglich. Die Partei ist praktisch führungslos, Kramp-Karrenbauer hält sich nur noch im Amt, um mit den infrage kommenden Kandidaten – nebst Merz der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – eine Lösung zu finden.

Auch die Kanzlerin will mithelfen. Spahn meint übrigens im Spiegel, die CDU müsse nach den Merkel-Jahren "wieder laufen lernen". Genau so hatte es Angela Merkel vor 20 Jahren formuliert, als die CDU sich von Helmut Kohl emanzipieren sollte.

Inhaltliche Initiativen sind von der CDU derweil nicht zu erwarten, die Personaldebatte überlagert alles. Monatelang kann sich die Partei also nicht Zeit lassen. Am Freitag hieß es, AKK wolle nun schon in zehn Tagen einen Vorschlag präsentieren.

Problem 2: Der Frauenmangel

Sag mir, wo die Frauen sind? Diese Frage stellt sich beim Blick auf die Nachfolgesuche. Sie beschränkt sich auf drei Männer, bei der Frage der Kanzlerkandidatur wäre noch dazu CSU-Chef Markus Söder im Spiel – aber der will lieber in Bayern Ministerpräsident bleiben.

Als nach der Rückzugsankündigung Kramp-Karrenbauers die ersten Namen durch Berlin schwirrten, wurde nicht eine einzige Frau ernsthaft genannt. Gabriele Abels, Politologin an der Universität Tübingen, überrascht das nicht: "Es hat mich gewundert, dass Annegret Kramp-Karrenbauer überhaupt zur Parteivorsitzenden gewählt worden ist."

Denn: "Die CDU war immer eine männerdominierte Partei, Angela Merkel bildete die große Ausnahme." Und eigentlich hätten viele nach Merkels Rückzug von der CDU-Spitze wieder einen Mann als Parteivorsitzenden gewollt.

Dass mit Merkel seit Jahren eine Frau Kanzlerin ist und Parteivorsitzende war, verstellt ein wenig den Blick. Im Bundestag etwa sind die Frauen in der Union deutlich unterrepräsentiert: Ihr Anteil macht nur 20 Prozent aus – hingegen stellen sie in der SPD 42 Prozent, bei der Linken 54 Prozent, und bei den Grünen sind es sogar 58 Prozent.

Ursula von der Leyen ist nun EU-Kommissionspräsidentin und raus aus der Berliner Politik.
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Merkel hat AKK gefördert, diese aber erwies sich letztendlich als Enttäuschung. Auch auf Ursula von der Leyen setzte die Kanzlerin lange Zeit. Doch von der Leyen ist nun EU-Kommissionspräsidentin und raus aus der Berliner Politik. Dahinter ist auf der Spitzenebene die große Leere.

Politologin Abels meint, große Teile der CDU wollten jetzt verstärkt "um konservative Männer, die sich der AfD zugewandt haben", buhlen. Sie dürfe aber die Frauen nicht vergessen: "Viele, gerade junge, Frauen wenden sich schon heute den Grünen zu." Daher, so Abels: "Jeder Kandidat braucht Frauen in seinem Team." Insofern wundert es nicht, dass die Aufstellung noch dauert. Die Männer müssen sich einig werden – und Frauen an Bord holen.

Problem 3: Abgrenzung zur AfD

Für die Bundes-CDU ist die Sache eigentlich ganz klar: Es gibt keine Koalition oder sonstige Kooperation mit der AfD. Doch in Thüringen hat sie sich damit nicht durchsetzen können.

Auch im ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt gibt es durchaus Stimmen, die die Abgrenzung infrage stellen. So forderten in Magdeburg die Vizefraktions-Chefs im Landtag, Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, die CDU müsse "das Soziale mit dem Nationalen" versöhnen.

Solche Worte fallen nicht nur, weil es zwischen manchem konservativen CDU-Vertreter und AfD-Politikern auch inhaltliche Nähe gibt, sondern weil der CDU im Osten die Koalitionsmöglichkeiten wegbrechen. Die SPD ist vielerorts schwach, die Grünen sind nicht stark genug.

Aufgrund der Kooperation der CDU mit der AfD in Thüringen trat Annegret Kramp-Karrenbauer als Parteichefin zurück.
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Der Beschluss vom Parteitag in Hamburg 2018, der die Zusammenarbeit mit der AfD und auch mit der Linken ausschließt, gilt natürlich für die gesamte Partei, also eigentlich auch für die Landesverbände.

Andererseits können CDU-Bundespolitiker schlecht Abgeordneten in den Ländern vorschreiben, wie sie sich verhalten sollen. Alexander Gauland, der AfD-Chef im Bundestag, ist überzeugt, dass die CDU eines Tages an Koalitionen mit der AfD nicht mehr vorbeikommen werde.

Problem 4: Werteunion regt auf

Ärger am rechten Rand? Da braucht die CDU gar nicht nur zur AfD schauen, sondern kann in ihren eigenen Reihen bleiben. Dort gibt es die "Werteunion", einen 2017 von frustrierten Konservativen gegründeten Verein, der mittlerweile rund 4400 Mitglieder hat.

Das ist gemessen an der gesamten Mitgliederzahl der Partei (rund 407.000) nicht besonders viel. Doch ihr Vorsitzender, Alexander Mitsch, hat es mit seiner Kritik an der seiner Ansicht nach viel zu liberalen Asylpolitik von Merkel und Kramp-Karrenbauer zu einer beachtlichen Medienpräsenz gebracht – auch weil er den ehemaligen Chef des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, an seiner Seite weiß.

Dass die Werteunion befand, die Wahl von Kemmerich in Thüringen durch FDP, AfD und CDU könne "alle Demokraten in Deutschland freuen", regt führende CDU-Politiker ziemlich auf. Selbst der von der Splittergruppe favorisierte Merz erklärt: "Es wäre gut, wenn es diese Werteunion gar nicht gäbe."

Die CDU-Arbeitnehmer wollen die Mitglieder der Werteunion aus der Partei drängen. Diese hingegen frohlocken, ohne sie sei keine Wahl zu gewinnen. (Birgit Baumann, 15.2.2020)