Glückloser "Macronist" Benjamin Griveaux – links neben Macron.

Foto: AFP/Bonaventure

Die französischen Medien sprechen von einem politischen Erdbeben – für Emmanuel Macron. Sein Kandidat für das Pariser Rathaus, Benjamin Griveaux, musste am Freitag aus dem Wahlkampf aussteigen, nachdem kompromittierende Videos und SMS-Dialoge in Umlauf gekommen waren. Der 42-jährige Ex-Minister macht darauf einer Unbekannten Avancen sexuellen Inhalts, begleitet von gefilmten Masturbationsszenen.

Für die Verbreitung sorgte der russische Aktivist Piotr Pavlenski. Der Putin-Gegner hatte in Frankreich 2017 politisches Asyl erhalten – nach einer "künstlerischen" Brandstiftung an der Banque de France jedoch auch eine mehrjährige Haftstrafe. Er erklärte, er habe die Videos in Umlauf gebracht, weil Griveaux nach außen ein intaktes Familienleben vorgaukle, es in den SMS aber selbst als "Gefängnis" bezeichne. Seine "Heuchelei" gehöre veröffentlicht. Griveaux, der Klage gegen Pavlenski eingereicht hat, sprach von einer "gewalttätigen Wahlkampagne". Er werde in den sozialen Medien ständig beleidigt, angegriffen und erhalte sogar Morddrohungen. "Ich will meine Familie und mich nicht weiter exponieren."

Eine "Schmutzlawine"

Politiker aller Couleurs verurteilten unisono die "Schmutzlawine" gegen Griveaux. Bürgermeisterin Anne Hidalgo rief zum Schutz der – in Frankreich sakrosankten – Privatsphäre auf. Der parteiinterne Widersacher von Griveaux, Cédric Villani, der trotz Macrons Aufforderung an seiner Kandidatur festhält, sprach von einer "schweren Bedrohung unserer Demokratie". Der Linke Jean-Luc Mélenchon, der sonst kein gutes Haar an Macron lässt, prangerte einen "voyeuristischen Schiffbruch" an.

Paris ist die wichtigste der Kommunalwahlen Mitte März, außerdem der erste Test seit Macrons Amtsantritt im Mai 2017. Griveaux war 2019 mit guten Chancen gestartet; in den Meinungsumfragen fiel er aber zurück, als sich in ganz Frankreich eine breite Front gegen Macrons Rentenreform bildete.

Sein Abgang macht auch offensichtlich, wie schwer es der Regierungspartei "La République en marche" (LRM) fällt, den Erfolg ihres Präsidenten vor drei Jahren auf lokalpolitischer Ebene auch nur halbwegs zu bestätigen. In Paris steuert der Wahlkampf auf ein klassisches Links-rechts-Duell zwischen der Sozialistin Hidalgo und der konservativen Ex-Sarkozy-Ministerin Rachida Dati zu – als hätte es Macrons Bewegung nie gegeben.

Ambitiöser "Macron-Boy"

Die Macronisten suchen nun in aller Eile Ersatz für Griveaux. Im Gespräch sind Frauenministerin Marlène Schiappa und Gesundheitsministerin Agnès Buzyn. Der Ersten mangelt es aber an administrativer Erfahrung. Buzyn wiederum ist von der Coronavirus-Thematik und anhaltenden Spitalstreiks stark absorbiert. In einem Monat verlorenes Terrain gutzumachen wäre beiden fast unmöglich. Auch dies zeigt, wie schwer es dem Alleinkämpfer Macron fällt, erfahrene Profis um sich zu scharen. Griveaux, ein ambitiöser "Macron-Boy", erschien noch als einer der gewieftesten.

Sein Sturz fällt auf seinen politischen Mentor zurück: Macron sieht sich weiter geschwächt, obwohl er momentan alle Kräfte bräuchte, um seine Rentenreform durch die parlamentarischen Instanzen zu bringen. Mitte der Woche brachten auch zwei treue Macronisten offene Kritik an dem Projekt an. Wenn der Präsident die Kommunalwahlen verliert und mit seiner Rentenreform scheitern sollte, sähe es für seine Wiederwahl im Jahr 2022 schlecht aus. (Stefan Brändle aus Paris, 14.2.2020)