Birgit Hebein bei der grünen Landesversammlung.

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Wien – Am Samstagmorgen startete im Wiener Austria Center die 82. Landesversammlung der Wiener Grünen. In der in grünem und pinken Licht bestrahlten Halle E sammelte sich die Parteibasis, rund 700 Mitglieder und Unterstützer, um ihre Liste für die Wien-Wahl zu bestimmen.

Aus den Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene habe Birgit Hebein mitgenommen, "dass wir ein unglaublich klasses Team haben", sagte die Wiener Grünen-Chefin und Vizebürgermeisterin bei ihrer Eröffnungsrede. Und: "Das entscheidende war immer, dass die Richtung stimmt." Die Grünen würden in Menschen- und Grundrechtsfragen Haltung bewahren, "das ist eine unserer Stärken", verteidigte Hebein die Entscheidung mit den Türkisen zu koalieren.

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"Ein bisschen Koalition mit der ÖVP"

Vom "Gefühl" her, habe Hebein nach den Koalitionsgesprächen, in denen sie als Chefverhandlerin für den Bereich Soziales zuständig war, auch "ein bisschen" mit der ÖVP koaliert. "Es gibt etwas sehr Ähnliches zwischen der türkisen Partei und der SPÖ. Das ist der Umgang mit der Machtpolitik." Da gebe es in Wien und im Bund kaum einen Unterschied. "Wir wissen, dass die ÖVP weiter ungehemmt schwarz-blaue Politik gemacht hätte. Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass der eine oder andere in der SPÖ noch immer davon überzeugt ist, weitermachen zu können wie in den 70er-Jahren." Trotzdem stehe Hebein hinter der Türkis-Grünen Koalition: "Auch, wenn wir dabei ein Risiko eingegangen sind."

Denn es sei nicht die Aufgabe der Grünen, die ÖVP zu verändern, sondern etwas "für die Menschen" zu verbessern. "Ich bin ein bisschen empörungsmüde", sagte Hebein in Anlehnung an das Image der kritikfreudigen Grünen, von denen jetzt gewünscht würde, sich abzugrenzen und denen man zuvor nachgesagt hatte, nicht regierungsfähig zu sein. "In der Zukunft wird es mehr und mehr um eine Versachlichung gehen", daran müssten sich alle gewöhnen.

Hebein warnt vor Rot-Türkis

Wien wolle Hebein zur "Klimahauptstadt Europas machen" und den rot-grünen Kurs fortsetzen. "Wien hat eine progressive Mehrheit und das ist gut so", sagte die Stadt-Vize. Manchmal habe sie das Gefühl, dass dies neben der Opposition auch der eigene Koalitionspartner, nicht gerne höre. Nach der Wien-Wahl, die voraussichtlich im Herbst 2020 stattfinden wird, stelle sich einzig die Frage: "Wird es Rot-Grün oder Rot-Schwarz geben? Geht es nach vorne oder wieder retour?"

In ihrer rund 20 minütigen Rede ging Hebein auch auf die zehn Jahre unter einer rot-grünen Stadtregierung ein: All das, was weitergegangen sei, sei geschehen weil die Grünen das "vorangetrieben haben", sagte Hebein und erwähnte etwa die 365-Euro-Jahreskarte oder den geförderten Wohnbau. Hebeins Plan für Wien: "Niemand soll in dieser Stadt frieren. Das ist Sozialpolitik. Und niemand soll in dieser Stadt schwitzen müssen. Das ist soziale Klimapolitik."

Wetten auf Kogler

Als nächster Redner wurde Vizekanzler Werner Kogler mit dem Verweis angekündigt, es gebe bereits Wetten, wie lange er sich fassen würde. Der Chef der Bundes-Grünen nahm's gelassen.

Werner Kogler (Mitte) mit Leonore Gewessler (Links) und Birgit Hebein (Rechts) bei der Landesversammlung der Wiener Grünen.
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Als Geschenk brachte Kogler seiner Parteikollegin Hebein eine grüne Sonnenbrille als Glücksbringer für die Wien-Wahl mit. Die grüne Brille hatte Kogler im vergangenen Nationalratswahlkampf als sein Markenzeichen begleitet. Nachdem er Hebeins Arbeit als für den Klimaschutz zuständige Stadträtin und Vizebürgermeisterin in den höchsten Tönen gelobt hatte, wechselte Kogler schnell zur Bundespolitik.

Er bekräftigte, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gestärkt werden solle und die Grünen "nicht davon ablassen, dass die Republik eine von politischen Parteien unabhängige Justiz und insbesondere eine Anklagebehörde" habe. Auch kündigte Kogler für den Frühling an, das "größte Transparenzpaket, das die Republik je gesehen hat auf die Schiene zu bringen". Etwa soll die Prüfkompetenz des Rechnungshofes weiter ausgebaut werden. Und: "Wir werden auch eine Eurofighter-Milliarde zurückholen. Das können nur die Grünen", erklärte Kogler zur aktuellen Diskussion um mögliche Schmiergeldzahlungen beim Eurofighter-Kauf.

"Diese Wahl wird eine Klimawahl", erklärte Umweltministerin Leonore Gewessler. Denn die Städte brauche man als Vorreiter. Zweiflern in Klimaschutzfragen würde Gewessler sagen: "Schaut nach Wien." Sie wünschte den Wiener Grünen alles Gute für den Wahlkampf und erklärte ihre Unterstützung, wo auch immer sie gebraucht würde. "Wir werden in diesem Land und in dieser Stadt eine grüne Zukunft haben oder gar keine Zukunft", schloss Gewessler.

Endergebnis am Abend

Mit der Wiener Vizebürgermeisterin Hebein haben die Grünen bereits ihre Spitzenkandidatin. Die ehemalige Sozialsprecherin hatte sich bereits im Jahr 2018 in einem internen Wettstreit um diese Position gegen ihre Konkurrenten, den Klubchef David Ellensohn und den Planungssprecher Peter Kraus, durchgesetzt. Die folgenden Plätze sollten bis zur Nummer 30 im Laufe des Tages bestimmt werden.

Noch ist David Ellensohn als Klubchef die Nummer zwei hinter, im Bild neben, Vizebürgermeisterin Birgit Hebein.
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Die 49 Kandidaten, die auf die Liste wollen, konnten sich schon vor Beginn der Veranstaltung im Eingangsbereich beim "Kandidaten-Dialog" vorstellen. Neben Ellensohn und Kraus, die im ersten Block mit Betriebswirtin Judith Pühringer um die Plätze zwei bis vier kämpften, finden sich fast alle aktuellen Gemeinderäte unter den Kandidaten. Umweltsprecher Rüdiger Maresch und Gesundheitssprecherin Birgit Meinhard-Schiebel kandidieren nicht mehr. "Ich werde für nix mehr kandidieren bei den Wiener Grünen", sagte Maresch am Samstag: "Ich werde kein Amt mehr übernehmen, auch nicht bei den grünen Senioren." Dem schloss sich Meinhard-Schiebel an: "Wir haben im Rathaus ein gemeinsames Zimmer, das werden wir auch gemeinsam verlassen."

Kraus auf Platz zwei

Im der Wahl für den ersten Block, der die Plätze zwei bis vier umfasst, konnte Kraus einen Erfolg feiern. Er erhielt die meisten Stimmen und schaffte es damit auf den Listenplatz nach Hebein. "Mir ist ein riesiger Stein vom Herzen gefallen", freute sich der 33-Jährige über seinen Sieg. Kraus zog 2015 in den Wiener Gemeinderat ein. Seit 2013 ist Kraus Sprecher der Grünen Andersrum Wien.

Pühringer landete auf Platz drei, die schlechtestmögliche Position für die Quereinsteigerin. Das kommt daher, dass auf der grünen Liste immer mindestens gleich viele Frauen wie Männer auf stehen müssen. Klubchef Ellensohn wurde dadurch auf den vierten Platz verwiesen.

Das Spitzenteam der Wiener Grünen. Von links nach rechts: Judith Pühringer (3. Platz), Peter Kraus (2. Platz), Birgit Hebein (1. Platz) und David Ellensohn (4. Platz).
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Über die Wahl ihres "Spitzenteams" zeigte sich Hebein erfreut. Es würde viele wichtigen Themen abdecken. Dass schon vor der Wien-Wahl Ellensohn von Kraus als Klubsprecher abgelöst werden könnte, wollte Hebein weder bestätigen noch verneinen.

Für die Zeit nach der Gemeinderatswahl wollte sich Hebein nicht festlegen. In welcher Reihenfolge nach der Wien-Wahl 2020 Funktionen wie etwa jene des Klubchefs oder ein möglicher zweiter Stadtratsposten vergeben werden, wolle man zu einem späteren Zeitpunkt "gemeinsam entscheiden", sagte Hebein am Rande der Landesversammlung.

Auch, ob sie sich eine Koalition mit der ÖVP in Wien vorstellen könnte, lies Hebein unbeantwortet. Nur soviel: Die Grünen würden seit neun Jahren in einer funktionierenden Koalition mit der SPÖ, sie wisse nicht, warum sie daran etwas ändern solle. Auch die Frage nach einem zweiten Wunschressort – derzeit stellen die Grünen in der Koalition mit Hebein nur eine Stadträtin – wollte sie vorerst nicht beantworten.

Überraschung unter Top-Ten

Derzeit stellen die Grünen zehn Gemeindedräte im Wiener Rathaus. Drei jener Abgeordneten, die sich der Wiederwahl gestellt haben, wurden allerdings nicht in die Top-Ten gewählt. Während Gemeinderat Niki Kunrath noch einen Platz im zweiten Block ergattern konnte, schafften es Barbara Huemer und Hans Arsenovic nicht unter die Plätze fünf bis 14.

Nach aktuellem Mandatsstand der Wiener Grünen und bei einer Koalitionsbeteiligung der Grünen würden die ersten elf Listenplätze ein Mandat erreichen – als Vizebürgermeisterin würde Spitzenkandidatin Birgit Hebein ihr Gemeinderatsmandat weitergeben.

Der ehemaligen ÖH-Chefin der Gras und heutigen Gewerkschafterin Viktoria Spielmann gelang eine Überraschung. Sie erreichte Platz sechs und ist im zweiten Block die bestplatzierte Neueinsteigerin. "Ich weiß gar nicht was ich sagen soll", erklärte Spielmann als sie die Wahl annahm.

Die ehemalige Nationalratsabgeordnete Berivan Aslan kam auf Platz neun. Die grüne Klubchefin in der Donaustadt, Heidi Sequenz, schnappte sich Nummer zehn. Unter den aktuellen Voraussetzungen – zehn Mandate im Gemeinderat und Koalitionsbeteiligung – hätte auch der elftgereihte Lehrer Felix Stadler einen Sitz im Gemeinderat. Denn Hebein führt als Vizebürgermeisterin kein Mandat.

So funktioniert die Wahl bei den Wiener Grünen. Verstanden?
Grafik: Der Standard

Die Wahl selbst findet in drei Blöcken statt (Block eins: Plätze zwei bis vier, Block zwei: fünf bis 14, Block drei: 15 bis 30). Damit alle Lager in der Wiener Partei zufrieden gestellt sind, wird das sogenannte Single-Transferable-Vote-System angewendet, das schon von der grünen Listenerstellung bei der Nationalratswahl wie auch in abgewandelter Art bei der Spitzenwahl der Grünen verwendet wurde. (Oona Kroisleitner, 15.2.2020)