Wie man Körper bewertet, hänge auch von den Sehgewohnheiten ab, sagt Ina Holub. Deshalb hat sich die dicke und lesbische 35-Jährige für die Offensive entschieden. Sie geht in der Ballroom-Szene Wiens über Laufstege, gibt Voguing-Tanzkurse und trägt ein selbstentworfenes T-Shirt, auf dem "Fat, Homo, Feminist" steht – alles Bezeichnungen, die sie zurückerobert und zur stolzen Selbstbeschreibung gemacht hat.

"Mit Curvy Models bekommt mich die Industrie nicht." Ina Holub fühlt sich erst repräsentiert, wenn tatsächlich Frauen, die 125 Kilo wiegen, in der Öffentlichkeit existieren dürfen. Das Interview in voller Länge kann man hier anschauen.
Foto: Maria von Usslar

Bei Bianca Rosemarie Schönhofer war der Kampf etwas weniger mühsam. Sie hat eine Hautkrankheit, die ihre Haut in braune und weiße Flecken unterteilt. Vitiligo ist weder ansteckend noch besonders schädlich, trotzdem wird Bianca manchmal so behandelt. Es gibt aber auch Menschen, die sie exotisieren und, so beschreibt sie, "wie eine neuentdeckte Insel behandeln". Das hat sich die 26-jährige Biologiestudentin zunutze gemacht. Mit Modelfotos auf Instagram will sie zeigen, dass geläufige Schönheitsnormen erweitert werden sollten.

Bianca ist schwerhörig und spricht Gebärdensprache. Diese Gebärde heißt "I love you". Das Foto ist bei dem Fotoshooting mit Peter Hruska entstanden. Hier gibt es noch mehr Fotos zu sehen.
Foto: Peter Hruska

Ina und Bianca sind durch ihren Umgang mit ihren Körpern Teil einer Bewegung, die sich Body-Positivity nennt. Ziel ist nicht, das Dicksein oder die Hautkrankheit zum neuen Schönheitsdiktat zu machen. Im Gegenteil: Alles, was auch für Durchschnittsmenschen schwer zu erreichen ist, wollen sie nicht als Norm gelten lassen, und alles, was existiert, sei erst einmal positiv zu bewerten.

So sollen auch Dehnungsstreifen, Poren oder etwa graue Haare ihren Platz in der Öffentlichkeit haben dürfen. Ein weiterer Kritikpunkt an der Gesellschaft: Attraktivität werde allgemein vom männlichen Blick oder dem anderen Geschlecht bestimmt. Das Schönheitsideal vergisst zum Beispiel auf homosexuelle Menschen.

Es geht nicht nur um Schönheit

Das Konzept beschränkt sich nicht auf Oberflächlichkeiten. Menschen, die nicht als "schön" oder "gesund" gelten, sind Diskriminierungen ausgesetzt. Dicke bekommen beim Arztbesuch seltener eine fundierte Diagnose, weil das Übergewicht im Vordergrund steht, Konfektionsgrößen decken nicht alle Körperformen ab, und sogar die Jobchancen sinken mit jeder Abweichung von der Norm. Diesen negativen Folgen auf die Lebensqualität will Body-Positivity entgegenwirken. (mvu, 20.02.2020)