Seppuku bezeichnet eine ritualisierte Art des Suizids, die ab Mitte des 12. Jahrhunderts innerhalb der Samurai in Japan verbreitet war. Hatte ein Mann wegen einer Pflichtverletzung sein Gesicht verloren, konnte er durch die rituelle Selbsttötung die Ehre seiner Familie wieder herstellen. 1868 wurde Seppuku offiziell verboten. In Zusammenhang mit der Vertrauensfrage, welche Pamela Rendi-Wagner an ihre Parteimitglieder stellen will, hat man irgendwie das Gefühl, dass genau so eine Form der rituellen Selbstdemontage - ob bewusst oder unbewusst - stattfindet. Das medial oft herbeigeschriebene verletzte Ansehen und die Ehre der stolzen Sozialdemokratie sollen anscheinend in Gestalt eines Fragebogens mit finaler Konsequenz wieder hergestellt werden.

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Eine Partei kommt nicht zur Ruhe

Immer wenn man denkt, das Thema SPÖ mitsamt ihrer internen Sanierung wäre in den Medien bereits ausreichend diskutiert worden, kommt von irgendwo eine Schlagzeile daher, die sofort ungläubiges Kopfschütteln hervorruft. Diesertags war es ein Fragebogen, der tatsächlich die Frage enthält, ob Rendi-Wagner weiterhin die Geschicke der Partei lenken soll. Was nach außen hin wie eine ehrlich gemeinte Erkundigung bei Parteimitgliedern hinsichtlich der Zufriedenheit die Parteiführung wirkt und eine Art gleichberechtigtes Mitbestimmungsrecht signalisieren soll, kommt auf den zweiten Blick eher Harakiri mit Anlauf gleich. Während beispielsweise in Bundesländern, deren Führungselite gut ankommt, ebenfalls die Wahlergebnisse mehr als nur stimmen, kann man das von bundesweiten Resultaten ja nicht unbedingt behaupten, was wiederum Rückschlüsse auf die Parteispitze zulassen könnte. Und wenn man sich überlegt, dass auf solche Schlüsse hoffentlich auch betreffende Politikerinnen und Politiker selbst kommen, so wirft dies die Frage nach dem Ziel einer solchen Aktion auf.

Warum stellt die SPÖ-Chefin die Vertrauensfrage?
APA/ROLAND SCHLAGER

Hypothese Nummer 1 könnte lauten, dass sich in Rendi-Wagners Reihen ein/e vorwitzige/r Parteikollege/in Hoffnungen auf den Thron der SPÖ macht, fleißig an Rendi-Wagners Karrieresessel sägt und sich nun fett ins Fäustchen lacht, weil die Masche mit Mitbestimmung tatsächlich durchgegangen ist. In solchen Fällen sollte man sich, anstatt ständig nur von irgendwelchen neuen Inhalten zu philosophieren, eventuell lieber in seinem eigenen Umfeld umsehen, wer einem denn da die "guten" Ideen als die eigenen verkauft.

Als Hypothese Nummer 2 wäre durchaus denkbar, dass der Parteiführung selbst die schlechten eigenen und die geradezu brillanten Ergebnisse der anderen gewaltig auf den Magen geschlagen haben, und man sich geläuterterweise plötzlich die Frage nach der eigenen Fähigkeit und Sympathie stellt. Sollten die Umfragewerte beim Blick in den Spiegel schon im Kleinsten nicht berauschend ausgefallen sein, so wurde vielleicht insgeheim eine Suche nach geeigneten Möglichkeiten gestartet, wie man sich elegant aus der Affäre ziehen könnte, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Dass hierbei die Sympathiewerte im Keller sind, wäre für den eigenen vorgetäuschten Parteitod mittels Fragebogenexperiment äußerst hilfreich.

Hypothese Nummer 3 wäre mit Abstand die traurigste aller Hypothesen, denn in diesem Fall wäre die Frage an die Parteimitglieder tatsächlich eine ehrliche, hinter welcher sich die Hoffnung auf Bestätigung und Unterstützung der Genossinnen und Genossen versteckt, die in Zeiten wie diesen bitter nötig wäre. Denn während in manchen Bundesländern beträchtliche Siege verzeichnet wurden, die beweisen, dass eine gut gemachte sozialdemokratische Politik nie an Aktualität und Bedeutung für die Menschen verliert, bekommt man bundesweit ständig "eins auf die Rübe". Und da täten ein paar gut gemeinte Kreuzerl an der richtigen Stelle so manchem strapaziertem Politiker-Ego mehr als wohl.

Dass man nicht abschätzen kann, ob man der Bewegung mit einem solchen Akt der Menschlichkeit Gutes tut oder eher Schaden zufügt, hinterlässt bei einigen einen bitteren Nachgeschmack. Dies kann aber als durchaus schlauer Schachzug angesehen werden, denn wenn alle etwas wollen, kann es doch nicht schlecht sein. Und wenn sich die Abwärtsspirale fröhlich weiter dreht, dann sind in einem solchen Fall ja alle mit dran schuld, ganz im Sinne der Mitbestimmung, oder? (Daniel Witzeling, 19.2.2020)

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