Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei der Sicherheitskonferenz in München.

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Emmanuel Macron ist ein unbequemer Zeitgenosse. Wo immer der französische Präsident zur EU-Außenpolitik spricht, tritt zutage, was seit Jahren Fakt ist: Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik hat keine richtige Vision, kein gemeinsames Ziel und vor allem keinen Mut. Sie ist vielmehr ein Sammelsurium von Absichtsbekundungen und Positionen der einzelnen Mitglieder und Institutionen. Beschlüsse brauchen Einstimmigkeit. Die EU ist aber mehrstimmig und sieht immer öfter zu, wie die USA, China und Russland agieren.

EU, Russland und genügend Beispiele

Beispiele gab es in der letzten Zeit genug: Nachdem etwa die USA Anfang Jänner den iranischen General Ghassem Soleimani getötet hatten, brauchte die neue geostrategische EU-Kommission mehr als drei Tage, um sich zu positionieren. Oder Libyen: Beim Gipfel in Berlin wurde einmal mehr deutlich, dass verschiedene europäische Staaten jeweils andere Parteien im Bürgerkrieg unterstützen. Auch über Russland ist man sich uneins: Die einen sind für eine strategische Annäherung, die anderen, vor allem die östlichen Staaten, die sich von Moskau bedroht fühlen, betrachten das mit großem Misstrauen.

Wie raus aus der Lähmung?

Aber was ist die Lösung angesichts einer Welt, die eben nicht automatisch immer demokratischer und liberaler wird? Wie raus aus der Lähmung der vielfach gut begründeten divergierenden Positionen? Auch die Münchner Sicherheitskonferenz brachte – diesmal unter dem deprimierenden Motto "Westlessness" – auf diese Frage keine Antworten.

Deutsch-französischer Motor mit mehr Power

Aber Macron war immerhin einer der wenigen, der eine Vision einer solidarisch handelnden Weltgemeinschaft und eines handlungsfähigen Europas noch nicht abgeschrieben hatte. Zu Recht pocht er darauf, dass der deutsch-französische Motor wieder mehr Power braucht. Dass die atomare Abschreckung in Zukunft nicht mehr nur amerikanisch gedacht werden darf. Dass Frankreich im Engagement gegen den internationalen Terrorismus mehr Unterstützung braucht. Noch ducken sich die meisten weg, der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in München aber immerhin überlegt, die "Einladung zum Dialog" anzunehmen. Die Vision "von einem Europa, das sich auf der Basis eigener Souveränität schützen kann", bleibt vorerst weiter die Vision Macrons. Um jemals Realität zu werden, braucht es vor allem Taten. Bis dahin bleibt Macron ein unbequemer, aber wichtiger Impulsgeber. (Manuela Honsig-Erlenburg, 16.2.2020)