
Andreas Ferner versucht's auch im Unterricht oft mit Humor: "Schlagen bitte nur, wenn ich nicht in der Klasse bin!" Bei Mobbing setzt er auf den Rat von Experten.
Andreas Ferner ist vieles: Kabarettist, Schauspieler, Moderator und vor allem eines – Lehrer, und das seit 20 Jahren. An einer privaten Wiener Handelsakademie unterrichtet er kaufmännische Fächer. Für schwierige Schülerinnen und Schüler bringt der 46-Jährige viel Verständnis auf, war er doch laut Eigenbeschreibung selbst kein einfaches Kind. Aktuell steht Ferner mit Chill amal, Fessor auf der Kabarettbühne – es ist mittlerweile sein drittes Programm mit Bildungsschwerpunkt. Die Schulaufsicht kracht bislang nur als Gast ins Kabarett hinein.
STANDARD: Ist das Kabarett eine Art Eigentherapie?
Ferner: Es bietet mir die Möglichkeit, Dinge abzuarbeiten, die mich an der Bildungspolitik, oder an den Medien, wie sie Lehrer und Schule sehen, stören. Auf der Kabarettbühne kann ich zurückschlagen und zeigen, was es heutzutage bedeutet, Lehrer zu sein – nämlich nicht nur ein Halbtagsjob mit langen Ferienzeiten.
STANDARD: Fühlen Sie sich als Lehrer zu wenig wertgeschätzt?
Ferner: Immer heißt es, Bildung ist das Wichtigste. Nur die Leute, die die Bildung vermitteln – also die Lehrkräfte –, werden nicht entsprechend behandelt. Ich könnte natürlich sagen, dass mir das nach 20 Jahren im Geschäft egal ist – ist es aber nicht. Man kann nicht die Besten wollen und gleichzeitig den Job madig machen.
STANDARD: Ist der Umgang mit Eltern dementsprechend schwierig?
Ferner: Ich habe da keine Probleme. Aber viele Kolleginnen und Kollegen berichten mir, dass Eltern immer forscher auftreten und auch schneller mit dem Anwalt drohen. Dabei könnte man doch vieles im Gespräch miteinander gut regeln.
STANDARD: Womit haben Sie in Ihrem Schulalltag am meisten zu kämpfen?
Ferner: Es wird sehr viel über angebliche Schulprobleme gesprochen, die gar nicht so große sind – etwa das Kopftuch. Für mich heißt das größte Problem Smartphone. Gegen ein Handy anzukämpfen ist fast unmöglich. Ich habe mit einer Klasse einmal ein Experiment gemacht. Wir haben eine Stunde lang die Handys laut aufgedreht und geschaut, wie viel da reinkommt: Es war erschütternd – mehr als 300 Unterbrecher auf allen möglichen Kanälen. Nur Anrufe gab es keine. Jede Nachricht lenkt ab. Das Handy ist ein Unterrichtszerstörer.
STANDARD: Was machen Sie? Abkassieren?
Ferner: Es gibt ständig Diskussionen. Das Beste wäre: im Spind wegsperren. Oder gar nicht mitnehmen. Es sollte jedenfalls nicht zur Kernaufgabe eines Lehrers gehören zu kontrollieren, ob das Mobiltelefon verstaut ist.
STANDARD: Bildungsminister Heinz Faßmann denkt an Tablets für alle.
Ferner: Wir kämpfen ja jetzt schon so mit der Smartphonesucht! Was den Einsatz von Handys im Unterricht anlangt: Das müssen mir die Bildungsexperten, die davon schwärmen, einmal erklären, wie das geht. Ich bin für den französischen Weg, die haben das Handy strikt verboten.
STANDARD: Ist das Handy der einzige Störfaktor im Unterricht?
Ferner: Verglichen mit meinen Anfangsjahren ist es schon viel schwieriger geworden. Die Erziehung wird immer stärker in die Schule verlagert, es gibt Kinder, die kaum ein Nein kennen und keine Grenzen. Das mit Ruhe, Disziplin und Ordnung – oh, das klingt konservativ! Ich meine, ein gutes Unterrichtsklima ist unter diesen Gegebenheiten schwieriger zu erreichen. Normalerweise gelingt es mir trotzdem. Aber wenn ich einen schlechten Tag habe, tue ich mir schwer.
STANDARD: Immer wieder wird über Gewalt und Mobbing an Schulen geredet ...
Ferner: ... wobei es für uns Lehrer gar nicht so leicht ist, da einzugreifen, weil vieles davon versteckt läuft. Bei Handgemengen versuche ich einzugreifen, auch mit Humor. Da sage ich zum Beispiel: Schlagen bitte nur, wenn ich nicht in der Klasse bin! Dann löst sich das meist schnell auf. Aber es kann nicht sein, dass wir Lehrer jetzt auch noch die Antimobbinglösungsprofis sind – da gibt es Profis, die sicher mehr bewirken. Also ich oute mich hiermit: Ich bin kein Mobbingexperte!
STANDARD: Sagen wir, heute ist ein guter Tag, und Sie können etwas am Bildungssystem ändern. Was wäre das?
Ferner: Mich stört diese Zwiespältigkeit. Wir setzen auf all diese zentralen Testungen wie Pisa oder Zentralmatura. Gleichzeitig nehmen Reformen wie die neue modulare Oberstufe wesentliche Leistungsfaktoren raus. Das passt nicht zusammen. Will ich mit den asiatischen Hochdruckländern konkurrieren, muss ich sehr stark auf Leistung setzen. Oder man legt es eben entspannter an – dann braucht es diese Vergleiche nicht. Was will ich? Asiatischen Hardcore oder Gemütlichkeit mit Spaß? Beides hat seine Berechtigung, beides hat seine Vor- und Nachteile. Nur wir machen so ein schwieriges Mittelding.
STANDARD: Wie viel in Ihrem Programm ist erfunden, was ist echt?
Ferner: Sagen wir so: Dass irgendetwas komplett erfunden ist, kommt nicht vor. Es ist alles zumindest aus der Wirklichkeit hergeleitet und auf ähnliche Art und Weise passiert. Natürlich überspitze ich. Meinen Schülern scheint es zu gefallen – ich habe gar nicht so wenige bei mir im Publikum sitzen. (Peter Mayr, Karin Riss, 17.2.2020)