Die Chatsoftware Discord ist auf Millionen Computern weltweit installiert. Auch der Tor-Browser ist wohl auf vielen Rechnern sicherheitsbewusster Nutzer zu finden. Geht es nach einem Poster der Polizei in den britischen West Midlands, dann sollten Eltern, die diese Tools auf den PCs ihrer Kinder finden, zum Telefon greifen. Denn sie könnten Hacker sein.

Das geht aus einem Plakat hervor, das der Twitter-Nutzer Gareth Illmann-Walker entdeckt hat. Laut ihm wird es von den "lokalen Behörden" in Schulen angebracht. Gewarnt wird darauf auch vor weiterer Software, die ein Indiz für sinistre Vorgänge sein soll. Da wären etwa virtuelle Maschinen, Kali Linux, Wifi Pineapple und Metasploit.

"Desinformation"

Einen "kompletten Unsinn" nennt Illmann-Walker, nach eigenen Angaben selbst Experte für IT-Sicherheit, das Sujet. Er spricht von "Desinformation" und meint: "Ich wäre stolz, wenn meine Kinder eines dieser Programme verwenden würden" – mit Ausnahme von Discord.

Denn Letzteres hat im Prinzip mit Hacking nichts zu tun, sondern dient nur zum Austausch von Spielern per Text- und Sprachchat. Laut der Regional Organised Crime Unit for the West Midlands Region (Rocu) wird es aber häufig verwendet, um "Hacking-Tipps auszutauschen". Auch zahlreiche andere Kommentatoren sind ob der Kampagne der Behörden zumindest irritiert.

Werkzeuge

Auch für sämtliche andere aufgelistete Software gibt es genug Einsatzzwecke abseits des Aufbrechens fremder Netzwerke mit bösartigen Absichten. Virtuelle Maschinen werden häufig eingesetzt, um einfach weitere Betriebssysteme auf einem Rechner unter dem jeweiligen Hauptbetriebssystem laufen zu lassen. Dies dient etwa der Ausführung bestimmter Programme, die nur für diese Systeme verfügbar sind, oder einfach nur dem Ausprobieren anderer Systeme. Im Sicherheitsbereich werden virtuelle Maschinen unter anderem zur sicheren Inspektion von Malware und verdächtiger Software eingesetzt.

Tor beziehungsweise der Tor-Browser ermöglicht das Surfen im sogenannten Darknet, also auf Webseiten, die nicht im öffentlichen Bereich des Netzes zu finden, sondern nur über das verschlüsselte Proxynetzwerk Tor abrufbar sind. Das beinhaltet natürlich auch problematische Portale, allerdings eben auch Anbieter wie den verschlüsselten E-Mail-Service Protonmail. Das Netzwerk ist unter anderem für Menschen in Ländern wichtig, in denen die Internetkommunikation umfassend überwacht wird und oppositionelle Kräfte unterdrückt und verfolgt werden.

Kali Linux ist eine auf sogenannte Penetrationstests spezialisierte Linux-Distribution. Die mitgelieferten Werkzeuge dienen also der Überprüfung von Netzwerken und IT-Infrastruktur auf Sicherheitslücken. Auch Metasploit und und Wifi Pineapple lassen sich für derlei Tests verwenden. Und sie werden weltweit auch von Sicherheitsforschern und Whitehat-Hackern, die am Aufzeigen und der Behebung von IT-Schwachstellen interessiert sind, eingesetzt. Als Werkzeuge ist diesen Programmen natürlich gemein, dass sie sich auch für bösartige Zwecke verwenden lassen.

Kali-Entwickler nehmen es gelassen

Die Polizeibehörden haben auf die Aufregung mittlerweile reagiert. Die National Crime Agency, deren Logo ebenfalls auf dem Sujet prangt, erklärt, nicht in die Erstellung oder Verbreitung des Plakats involviert gewesen zu sein. Es sei aber wichtig, "dass Eltern und Kinder erfahren, wie sich diese Tools sicher verwenden lassen", da sie für "legale und illegale Zwecke" eingesetzt werden können.

Ähnlich sieht die Stellungnahme der Rocu aus: Das Poster sei von einem externen Lieferanten als Hilfsmittel für Lehrer erstellt worden. Es enthalte "breitere Informationen über Cybertools, die man für Cyberangriffe verwenden kann, die aber auch einen legitimen Verwendungszweck haben". Besagte legitime Zwecke finden auf dem Sujet allerdings keinerlei Erwähnung.

Die Entwickler von Kali Linux sehen die Angelegenheit gelassen. "Irgendwie ist es ja nett, dass man Kindern eine Übersicht darüber gibt, wo sie anfangen sollen", schreiben sie auf Twitter. "Wir alle wissen, dass es am leichtesten ist, Kinder dazu zu bekommen, etwas zu tun, indem man ihnen genau auflistet, was man ihnen verbieten will." (gpi, 17.2.2020)