Beteigeuze im Dezember 2019: Der Rote Überriese wird immer schwächer.
Foto: ESO/M. Montargès et al.

In den vergangenen Monaten haben Wissenschafter ungewöhnliche Veränderungen bei einem der hellsten Sterne am Nachthimmel beobachtet: Die Strahlkraft von Beteigeuze, dem Schulterstern der Konstellation Orion, hatte sich seit Oktober um mehr als die Hälfte reduziert. Nachdem es sich bei dem Roten Überriesen um einen variablen Stern handelt, mag das völlig normal sein – und doch vermuten einige darin erste Anzeichen einer bevorstehenden Supernova.

Nun haben Astronomen der Europäischen Südsternware Eso des Paranal-Observatoriums in der Atacamawüste im Norden Chiles eine weitere Helligkeitsabnahme bei Beteigeuze festgestellt: Mittlerweile besitzt der Stern nur mehr rund ein Drittel seiner herkömmlichen Helligkeit. Mehr noch: Beteigeuze scheint auf den nun präsentierten Aufnahmen auch seine Form verändert zu haben.

Tausendmal so groß wie die Sonne

Als Roter Überrieser, dem letzten Lebensstadium eines massereichen Sterns, ist Beteigeuze rund tausendmal so groß wie die Sonne, etwa zwanzigmal so massereich und im sichtbaren Bereich des Spektrums normalerweise zehntausendmal so hell wie unser Heimatstern. Aufgrund seiner verhältnismäßig geringen Entfernung von 700 Lichtjahren war Beteigeuze für Sternenbeobachter dadurch stets ein Leuchtfeuer am Nachthimmel. Am Ende des vergangenen Jahres begann dieses jedoch ungewöhnlich schnell zu verblassen. Gegenwärtig liegt die Helligkeit von Beteigeuze bei etwa 36 Prozent ihrer normalen Stärke – eine Veränderung, die sogar mit dem bloßen Auge erkennbar ist.

Beteigeuze vor und nach der letzten Verdunkelungsphase.
Foto: ESO/M. Montargès et al.

Ein Team unter der Leitung von Miguel Montargès, einem Astronomen an der Katholischen Universität Löwen in Belgien, beobachtet den Stern seit Dezember mit dem Very Large Telescope (VLT) der Eso und versucht zu verstehen, warum er schwächer wird. Zu den ersten Beobachtungen, die aus der Kampagne hervorgehen, gehört ein erstaunliches neues Bild der Oberfläche von Beteigeuze, das Ende letzten Jahres mit dem Instrument Sphere aufgenommen wurde. Das Forschungsteam hat den Stern auch im Januar 2019 mit Sphere beobachtet, bevor er anfing, sich abzuschwächen, was uns ein Vorher-Nachher-Bild von Beteigeuze ermöglicht. Im sichtbaren Licht aufgenommen, heben die Bilder die Veränderungen hervor, die der Stern sowohl in seiner Helligkeit als auch in seiner scheinbaren Form erfährt.

Zwei mögliche Szenarien

Viele Beobachter fragten sich, ob die Verdunkelung von Beteigeuze bedeutete, dass er im Begriff sei zu explodieren. Wie alle Roten Überriesen wird Beteigeuze eines Tages zur Supernova werden, aber die Astronomen glauben nicht, dass dies jetzt geschieht. Sie haben andere Hypothesen, um zu erklären, was genau die Form- und Helligkeitsverschiebung verursacht, die in den Sphere-Bildern zu sehen ist. "Die beiden Szenarien, an denen wir arbeiten, bestehen in einer Abkühlung der Oberfläche aufgrund einer außergewöhnlichen Sternaktivität oder eines Staubauswurfs in unsere Richtung", sagt Montargès. "Natürlich ist unser Wissen über die Roten Überriesen noch unvollständig, und dies ist noch Gegenstand intensiver Forschung, so dass es noch zu Überraschungen kommen kann."

Das Video offenbar die Veränderung, die Beteigeuze zuletzt gezeigt hat.
European Southern Observatory (ESO)

Montargès und sein Team brauchten das VLT am Cerro Paranal in Chile, um den Stern zu untersuchen und Hinweise auf seine Verdunkelung zu sammeln. "Das Paranal-Observatorium der Eso ist eine der wenigen Einrichtungen, die in der Lage sind, die Oberfläche von Beteigeuze abzubilden", sagt er. Die Instrumente des VLT der Eso ermöglichen Beobachtungen vom Sichtbaren bis zum mittleren Infrarot, das heißt, die Astronomen können sowohl die Oberfläche von Beteigeuze als auch das Material in seiner Umgebung sehen. "Nur so können wir verstehen, was mit dem Stern geschieht."

Strahlender Staub

Ein weiteres neues Bild, das mit dem Visir-Instrument am VLT aufgenommen wurde, zeigt das Infrarotlicht, das im Dezember 2019 vom Staub in der Umgebung von Beteigeuze ausgestrahlt wurde. Diese Beobachtungen wurden von einem Team unter der Leitung von Pierre Kervella vom Observatorium von Paris in Frankreich gemacht. Er erklärte, dass die Wellenlänge des Bildes der von Wärmekameras erfassten Wellenlänge ähnlich ist. Die Staubwolken, die im Visir-Bild Flammen ähneln, entstehen, wenn der Stern sein Material wieder ins All zurückschleudert.

Staubwolken rund um Beteigeuze im Infrarotlicht.
Foto: ESO/P. Kervella/M. Montargès et al., Eric Pantin

"Der Satz 'Wir sind alle aus Sternenstaub' ist einer, den wir in der populären Astronomie oft hören, aber wo genau kommt dieser Staub her?" fragt Emily Cannon, eine Doktorandin an der KU Leuven, die mit Sphere-Bildern von Roten Überriesen arbeitet. "Rote Überriesen wie Beteigeuze erzeugen im Laufe ihres Lebens riesige Mengen an Material und stoßen es aus, noch bevor sie als Supernovae explodieren. Die moderne Technologie hat es uns ermöglicht, diese Objekte, die Hunderte von Lichtjahren entfernt sind, in noch nie dagewesener Detailgenauigkeit zu studieren, was uns die Möglichkeit gibt, das Geheimnis zu lüften, was ihren Massenverlust auslöst." (red, 17.2.2020)