Diabetes ist der Überbegriff für mehrere chronische Erkrankungen, die Ursachen dafür sind vielfältig.

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Die meisten Menschen kennen nur zwei Formen der "Zuckerkrankheit": Diabetes vom Typ I und II. "Diabetes hat aber viele Gesichter und unterschiedlichste – meist auch multifaktorielle – Ursachen. Darum ist es so problematisch, wenn Menschen mit Diabetes über einen Kamm geschoren werden und ihnen vorgeworfen wird, dass sie ‚selbst schuld‘ an der Erkrankung wären und sie ja ‚nur den Lebensstil‘ ändern müssten. Zusätzlich führt diese Vereinfachung und die Unkenntnis über die Vielfalt der Diabetesformen zu verspäteten Diagnosen", kritisiert in Susanne Kaser von der Uniklinik Innsbruck und Präsidentin der Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG).

In Österreich ist etwa jeder zehnte Mensch von Diabetes betroffen, viele davon haben noch keine Diagnose erhalten. Dabei wäre eine frühzeitige Diagnose und Behandlung bei allen Diabetesformen der beste Schutz gegen die möglichen lebensgefährlichen Folgen dieser Erkrankung. Häufig erfolgt die Diagnose als Zufallsbefund im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung oder nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Jedes vierte Kind erhält späte Diagnose

Doch wie unterscheiden sich die unterschiedlichen Formen der Erkankung? Die Autoimmunerkrankung Diabetes mellitus Typ I manifestiert sich meist im Kindes- oder Jugendalter. Das sind etwa fünf bis zehn Prozent aller Diabetiker. "In Österreich wird die Diagnose Diabetes bei Kindern und Jugendlichen für gewöhnlich zu spät gestellt. Rund 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Diabetes mellitus Typ 1 werden mit einer lebensgefährlichen Stoffwechselentgleisung, der sogenannten Diabetischen Ketoazidose, ins Krankenhaus gebracht. Dies ist unter anderem auf das mangelnde Bewusstsein für die Krankheit und deren Warnsignale zurückzuführen", sagt Sabine Hofer, Kinderärztin an der Med-Uni Innsbruck. Typische Symptome sind gesteigertes Durstgefühl, häufiger Harndrang, Gewichtsverlust, Sehstörungen und Müdigkeit.

Hofer betont auch den sozialen Druck, der durch das Unwissen um Diabetes entsteht: "Diabetes mellitus Typ 1 hat nichts mit einer Lebensstilerkrankung zu tun. Die Betroffenen müssen ein Leben lang mit einer Insulintherapie umgehen lernen und ein komplexes Selbstmanagement in ihr Leben integrieren. Da hilft es wenig, wenn sie aus ihrem sozialen Umfeld noch zusätzlich Diskriminierung erfahren. Gerade Kinder und Jugendliche leiden besonders, wenn sie mit unbedachten und falschen Äußerungen konfrontiert werden."

Auch im Erwachsenenalter kann Diabetes als Autoimmunerkrankung auftreten, die sogenannte Late autoimmune diabetes in adults (Lada). Dieser ist meist von weniger stark ausgeprägten Symptomen begleitet, die auch weniger akut einsetzen. Gerade daraus resultiert wieder die Gefahr, dass die Erkrankung lange unentdeckt bleibt und im gesamten Körper Schäden verursacht.

Begriff "Altersdiabetes" nicht mehr zeitgemäß

Etwa 90 Prozent aller zuckerkranken Menschen sind von Diabetes mellitus Typ 2 betroffen. Diese Erkrankung ist häufig mit Übergewicht, Bluthochdruck und erhöhten Blutfetten assoziiert, kann aber auch bei normalgewichtigen Patienten auftreten. Ein deutlich erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 haben Personen deren Eltern ebenfalls daran erkrankt sind.

"Früher wurde diese Erkrankung Altersdiabetes genannt. Heute trifft sie Menschen mitten im Leben. Das durchschnittliche Manifestationsalter liegt um das 50. Lebensjahr. Da diese Erkrankung lange Zeit asymptomatisch verläuft, kommt auch bei dieser häufigen Form die Diagnose oft viel zu spät. Falls Symptome auftreten sind diese Müdigkeit, Sehstörungen, Haut- oder Harnwegsinfektionen", erläutert ÖGD-Präsidentin Susanne Kaser.

Eher selten tritt eine rein erbliche Form des Diabetes auf, die MODY abgekürzt wird (Maturity Onset Diabetes of the Young). Sie entsteht im frühen Erwachsenenalter meist bei Normalgewichtigen, die aber eine starke erbliche Vorbelastung haben. "Bei gehäuftem Auftreten von Diabetes in einer Familie über mindestens drei Generationen ist unbedingt an das Vorliegen eines MODY-Diabetes zu denken und eine genetische Abklärung und Beratung zu empfehlen", betont Kaser.

Mutter und Kind schützen

Gestationsdiabetes, auch als Schwangerschaftsdiabetes bekannt, betrifft etwa zehn Prozent aller Schwangeren und wird im Rahmen des Zuckerbelastungstests diagnostiziert, der zwischen der 24. und 28. Schwangerschaftswoche verpflichtend durchgeführt wird. Wenn der Schwangerschaftsdiabetes nicht ausreichend behandelt wird, entstehen Gefahren für Mutter und Kind. Für Mütter besteht ein erhöhtes Risiko der Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2. Kinder kommen mit erhöhtem Geburtsgewicht und zusätzlichen Gesundheitsrisiken für ihr Leben zur Welt.

Unter dem Begriff Prädiabetes verstehen Mediziner Vorstadien des Diabetes mellitus (großteils Typ 2), in denen bereits ein erhöhter Nüchternblutzucker (IFG) oder eine gestörte Glukosetoleranz (IGT) vorliegen, aber noch kein manifester Diabetes besteht. Um die chronische Krankheit zu verhindern, kann mit einer Lebensstiländerung viel erreicht werden.

Seltene Diabetesformen

Pankreopriv ist die medizinische Bezeichnung für einen Mangel an Bauchspeicheldrüsengewebe. Die Ursache für den pankreopriven Diabetes ist die mangelnde Insulinproduktion nach Pankreasoperationen, chronischen Pankreasentzündungen oder Pankreastumoren.

Der mitochondriale Diabetes ist eine vererbte Form und greift die Betazellen an. Sogar Medikamente können einen Diabetes auslösen, am häufigsten im Rahmen von Kortisontherapien, aber auch durch andere Substanzen, die das Immunsystem unterdrücken. Insgesamt werden bis zu mehr als 30 verschiedene Formen bzw. Ursachen unterschieden. "Ärztinnen und Ärzte sind aufgerufen die Vielfalt und Komplexität des Diabetes ernst zu nehmen. Jeder Mensch mit Diabetes muss in seiner Individualität erkannt werden und eine personalisierte Behandlung erhalten", fordert Kaser. (red, 18.2.2020)