Nora Aigner (links) und Opernballorganisatorin Maria Großbauer.

Foto: Simon Alber/VALID

Am Donnerstag wird am Opernball nicht nur erstmalig ein gleichgeschlechtliches Tanzpaar debütieren, sondern auch mehrere Menschen, die an unheilbaren oder seltenen Krankheiten leiden. Eine von ihnen ist Nora Aigner.

Aigner wurde vor fünf Jahren das sogenannte Eagle-Syndrom diagnostiziert, eine – verknappt formuliert – Fehlbildung im Bereich des Schläfenbeins. Und der Auslöser für unerträgliche Schmerzen im Gesicht, wie Aigner schreibt – sprechen kann die 25-Jährige kaum. 2016 wurde der Knochen entfernt, noch immer hat sie Schmerzen, Sprechprobleme und muss viermal die Woche in Therapien.

Vier Jahre lang zog Aigner sich zurück, mied soziale Kontakte, "weil ich unsicher und befangen war", schreibt sie. Nun tanzt sie am Opernball als Botschafterin der Organisation Pro Rare Austria, einer Allianz für seltene Krankheiten, deren Ziel es ist, die Diagnostik seltener Krankheiten und den Zugang zu Therapien zu verbessern. So selten sind seltene Krankheiten nämlich nicht: Österreichweit leben laut Pro Rare 400.000 Menschen mit so einer. Eine Krankheit gilt dann als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen das Krankheitsbild aufweisen, 30.000 davon sind weltweit bekannt.

Überall willkommen

Aigner will mit ihrem öffentlichen Auftritt am Opernball zeigen, "dass man sich wegen seltener Erkrankungen oder anderer Einschränkungen nicht verstecken muss", schreibt sie, und dass sie andere Menschen ermutigen wolle, sich bewusst zu machen, dass sie "willkommen sind – überall".

An der Universität Wien, wo Aigner Lehramt studierte, führte sie eine Studie über die sozialen Folgen seltener Krankheiten durch. Und stellte fest, dass nicht nur sie sich ausgegrenzt fühlte. "Wenn man den Bekanntheitsgrad erhöhen könnte, könnte man die Gesellschaft vielleicht zu mehr Verständnis für diese Menschen bewegen", schreibt sie.

Ballorganisatorin Maria Großbauer und Pro-Rare-Obmann Rainer Riedl. Großbauers Gesicht ist in den Farben des Rare Disease Day geschminkt – er wird am 29. Februar begangen.
Foto: Pro Rare Austria/APA-Fotoservice/Schedl

Kontakt zu Opernballorganisatorin Maria Großbauer selbst habe sie aufgenommen, nachdem sie gesehen hatte, dass Großbauer sich einst für eine Pro-Rare-Kampagne das Gesicht bemalen ließ. "Ich konnte nur zu den Proben letzte Woche kommen", schreibt Aigner, gebürtige Niederösterreicherin, nun Wahlwienerin. Nun müsse sie in recht kurzer Zeit die Choreografie einstudieren. "Das ist anstrengend, aber mit Infusionen zu schaffen."

Debütanten mit Herzfehler und Trisomie 21

Von Opernball-Organisatorin Großbauer heißt es dazu: "Wir treten als Verantwortliche des Wiener Opernballs jedenfalls für Chancengleichheit, Diversität und Toleranz ein. Dabei wollen wir nicht bewusst aktionistische Zeichen setzen, sondern sehen es vielmehr als eine Selbstverständlichkeit."

Schon seit 19 Jahren und auch heuer nehmen Tänzer des Vereins Ich bin O.K. mit inklusiven Tanzperformances an der Eröffnungszeremonie teil – wie bereits in den letzten zwei Jahren debütierten Paare mit dem Gendefekt Trisomie 21. Ebenfalls bei der Eröffnungszeremonie wird ein Paar mit hypoplastischen Linksherzsyndrom, einem schweren Geburtsfehler, sein. Den beiden fehlt jeweils – auch hier vereinfacht formuliert – eine Herzkammer, noch bis in die 80er galt das als unbehandelbar.

Nora Aigner schreibt, gerade jungen Patientinnen würde oft nicht geglaubt, dass sie seltene Krankheiten haben. "Bei mir war ja auch äußerlich nichts sichtbar", schreibt sie. Ärzte würden manchmal psychische Ursachen vermuten.

Aktuell sammelt Aigner auf diversen Social Media Plattformen unter dem Account Nora Punzel Menschen, die ihr ihre Stimme leihen, darunter auch Prominente aus Österreich. Ende des Monats wird sei ein Video veröffentlichen, der vorläufige Höhepunkt ihrer Awareness-Kampagne. Langfristig aber gehe es darum, die Wissenschaft anzukurbeln, Disziplinen zu vernetzen und so Informationen zu erleichtern. "Und ich will Menschen mit besonderen Schicksalen 'sagen', dass sie auch ihren Platz in der Gesellschaft haben", schreibt sie.

Neuer Dirigent

Wie am Dienstag bekannt wurde gibt es eine kleine Planänderung am Ball. Wegen eines schweren Krankheitsfalles in der Familie musste Daniel Harding die musikalische Leitung der künstlerischen Eröffnung des Opernballs absagen. An seiner Stelle übernimmt James Conlon. Er leitete zuletzt "Die Zauberflöte" im Dezember 2019 an der Wiener Staatsoper. (Gabriele Scherndl, 18.2.2020)