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Harvey Weinstein mit seiner Anwältin Donna Rotunno.

Foto: Reuters / CARLO ALLEGRI

New York – Das Schicksal des einstigen Hollywood-Moguls Harvey Weinstein liegt nun in der Hand von zwölf Geschworenen. Im Vergewaltigungsprozess gegen den Filmproduzenten in New York beraten sie ab Dienstag über Schuld oder Unschuld des 67-Jährigen. Der Ausgang ist offen: Nach den mehrwöchigen Anhörungen erscheint eine Verurteilung ebenso möglich wie ein Freispruch – oder gar ein Platzen des Prozesses.

Das Verfahren hat gezeigt, wie schwierig die Aufarbeitung mutmaßlicher Sexualverbrechen gerade in der Filmwelt ist. Im Spannungsfeld zwischen Macht, Sex, Prominenz, Karriere und Gewalt ist die Wahrheit nur schwer zu ermitteln.

Das Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Weinstein im Herbst 2017 hatte Hollywood erschüttert, weltweit für Aufsehen gesorgt und die #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Übergriffe gegen Frauen ausgelöst. Mehr als 80 Frauen, darunter bekannte Schauspielerinnen wie Angelina Jolie, Salma Hayek und Gwyneth Paltrow, haben dem Gründer des Miramax-Filmstudios sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen. Die meisten Fälle sind aber verjährt.

Im Prozess in New York ging es letztlich nur um zwei Fälle: Die Schauspielerin Jessica Mann wirft Weinstein vor, sie 2013 in einem Hotelzimmer in New York vergewaltigt zu haben. Die frühere Produktionsassistentin Mimi Haleyi beschuldigt den 67-Jährigen, ihr 2006 Oralsex aufgezwungen zu haben.

Ein Muster sexualisierter Gewalt

Vier weitere Frauen sagten während des Prozesses aus, sie seien von Weinstein sexuell attackiert worden. Die Staatsanwaltschaft wollte damit ihre These untermauern, bei Weinstein habe es ein wahres Muster sexualisierter Gewalt gegeben. Ein "Raubtier" sei der 67-Jährige, sagte Staatsanwältin Joan Illuzzi-Orbon am vergangenen Freitag in ihrem Schlussplädoyer. Er habe seine Macht schamlos ausgenutzt.

Der tief gefallene Produzent hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Er spricht von einvernehmlichem Sex. Sein Anwaltsteam versuchte während des Prozesses, die Glaubwürdigkeit der mutmaßlichen Opfer zu untergraben. Mann und Haleyi mussten einräumen, mit Weinstein nach den mutmaßlichen Attacken jeweils mindestens ein Mal einvernehmlichen sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Die 34-jährige Mann blieb mit dem Produzenten gar jahrelang in Kontakt.

Das allein bedeutet aber nicht, dass die Vorwürfe gegen Weinstein falsch wären. Im Prozess sagte eine Psychologin aus, Opfer sexueller Gewalt würden häufig den Kontakt mit dem Täter aufrechterhalten und mit niemandem über den Angriff sprechen.

Die psychologisch komplexen und teils widersprüchlichen Beziehungen der Frauen zu Weinstein lassen einen Schuldspruch nicht als sicher erscheinen, zumal die Anklage maßgeblich auf den Aussagen der Frauen beruht. Die zentrale Frage, ob es sich um Sex handelte oder sexualisierte Gewalt war oder nicht, sei in dem Fall nur schwer zu beantworten, sagte kürzlich der Rechtsprofessor Bennett Gershman.

"Unpopuläre Entscheidung"

Weinstein-Anwältin Donna Rotunno versuchte in dem Prozess, den Spieß umzudrehen und den Filmproduzenten als Opfer darzustellen. Er sei von Frauen manipuliert worden, die ihre Karrieren hätten voranbringen wollen. Von den Geschworenen verlangte Rotunno in ihrem Schlussplädoyer, eine "unpopuläre Entscheidung" zu treffen und Weinstein freizusprechen.

Die fünf Frauen und sieben Männer werden nun hinter verschlossenen Türen über Schuld oder Unschuld des 67-Jährigen in fünf Anklagepunkten beraten. Das kann Tage, theoretisch auch Wochen dauern. Die Geschworenen müssen einstimmig zu einem Urteil kommen; gelingt ihnen das nicht, wäre der Prozess geplatzt.

Doch unabhängig vom Ausgang des New Yorker Prozesses: Den Schlusspunkt der Affäre Weinstein wird er nicht bedeuten. In Los Angeles laufen Ermittlungen gegen den geächteten Ex-Produzenten, außerdem sind mehrere Zivilklagen anhängig. (APA, AFP, 17.2.2020)