Abby McEnany geschah großes Unrecht, weshalb sie auf Rache sinnt. Der Plan lässt sich nicht ganz leicht umsetzen: "Work in Progress".

Foto: Sky/Showtime

Abby McEnany hat einen Plan. Sie will, nein, sie muss sich an der Schauspielerin Julia Sweeney rächen. "Sie hat mein Leben ruiniert", sagt die Darstellerin, die sich in der Comedy Work in Progress – ab Dienstag auf Sky – selbst spielt. McEnany hasst Sweeney von ganzem Herzen und gut nachvollziehbar: Zwischen 1990 und 1994 landete Sweeney einen großen Hit in der Satireshow Saturday Night Live mit der Sketchreihe It’s Pat.

Pummeliger Freak

Sweeney spielte den pummeligen Freak Pat, der alle Beteiligten hinsichtlich seiner Identität ratlos zurückließ. In allen Sketches ging es nur um die einzige Frage, welches Geschlecht der/die nerdige Pat haben könnte. Sämtliche Hinweise stifteten zusätzliche Verwirrung. Einer der Höhepunkte in diesem anarchistischen Blödsinn war, als sich ein Elternteil Pats ankündigte, man also drauf und dran war, das Rätsel zu lösen. Daraus wurde schlussendlich wieder nichts: Der Elternteil war ebenso wie Pat unidentifizierbar.

Sweeney machte die Figur zum Kult. 1994 folgte ein völlig missglückter Film, der zusammen mit der Hauptdarstellerin mit Negativpreisen überhäuft wurde. Für ebendiese Pat sucht McEnany nun Genugtuung, um sich selbst zu erleichtern. Die US-Komödiantin McEnany hat mit der Lachnummer nämlich eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit und muss deshalb seit den 1990er-Jahren den Spott der Pat-Seher ertragen.

Völlig klar, dass die Comedienne mit ihrem Vorhaben dort landen wird, wo neurotische Städterinnen irgendwann einmal alle Station machen, beim Therapeuten. "45 Jahre alt, eine fette, queere Kampflesbe", stöhnt sie genervt, und dass sie jetzt fertig mit allem sei. Der Plan: Suizid in 120 Tagen, es sei denn, es gelingt, das Leben umzudrehen.

Die Tragikomik der Serie will es, dass die Therapeutin die Sitzung nicht überleben wird, was noch mehr Häme zur Konsequenz hat. Zum Glück gibt es noch Chris, einen hübschen Transgender-Kerl: McEnanys neue Freundin ist ein Mann. Fast drei Jahrzehnte nach Pats Saturday Night Live-Debüt rächt sich McEnany als schwergewichtige, besserwisserische und maskuline Lesbe auf ihre Weise und fügt dem Comedy-Thema ein neues Kapitel hinzu. In nur acht 30-minütigen Episoden gestaltet Work in Progress radikal neu, wie queere Geschichten im Fernsehen aussehen können – mit ätzend schwarzem Humor, liebenswerten Transfiguren, einer erfrischend unverkrampften Auseinandersetzung mit psychischen Krankheiten, körperlichen Erscheinungsbildern und veralteten Geschlechterdarstellungen.

Junger Transmann

Diese tradierten Bilder zerlegt die Chicagoerin genüsslich systematisch. Etwa in der Beziehung mit dem zärtlichen Chris (Theo Germaine), die auf autobiografischen Erlebnissen beruht.

Die Autorin und Komödiantin McEnany arbeitete zehn Jahre lang beim Finanz- und Analyseunernehmen Morningstar, Inc. in Chicago, zuerst im Kundenservice und dann als technische Redakteurin. Mit 40 Jahren kam sie zur Theatergruppe The Second City. McEnany ging wirklich mit einem viel jüngeren Transmann aus, und das sei wirklich keine große Sache gewesen, sagte sie in einem Interview: "Es war einfach kein Thema. Es war nicht so: Oh mein Gott, was bedeutet das?" In der Serie sollte sich diese Selbstverständlichkeit ebenso abbilden.

Mit Work in Progress bereitet McEnany nicht nur der LGBTQ-Community eine Bühne, sie bringt das Thema sogar ins Mainstream-Fernsehen. Die Serie läuft auf Showtime – unmittelbar nach der Fortsetzung der Lesbenstory The LWord. Nicht zuletzt bricht McEnany aber eine Lanze für dicke Frauen über 40: "Eine fette, ältere Figur zu haben, die ein sexy, junges, liebesbestimmtes Interesse haben darf", hält sie für "revolutionär" im Fernsehen. Mit ihrem Gewicht hadere sie ohnehin mehr als mit ihrer Sexualität und psychischen Krankheit: "Ich kämpfe einfach mit diesem Gewichtskram." Dafür schäme sie sich: "Ich schäme mich für meine Scham." So gesehen sei die Serie "eine sehr heilsame Sache", sagt McEnany.

Davon profitiert letztlich auch Julia Sweeney, die sich – Achtung, Spoiler! – in der persönlichen Begegnung als höflich und witzig erweist und somit zum Racheopfer überhaupt nicht taugt. In Work in Progress hat der Irrtum Methode. Geht in Ordnung. (Doris Priesching, 18.2.2020)