Rendi-Wagner glaubt an viel Rückhalt an der Basis, doch Wiener Funktionäre sollen versichert haben: "Wir mobilisieren nicht."

Foto: Matthias Cremer

Unverständnis bis Zustimmung: So lässt sich das Spektrum der offiziellen Reaktionen in der SPÖ auf die von Pamela Rendi-Wagner durchgesetzte Mitgliederbefragung zusammenfassen. Doch was Politiker "on records" in Mikrofone sagen, bildet nicht zwangsläufig die reale Stimmung in einer Partei ab. An Unverständnis mangle es in den roten Reihen tatsächlich nicht, erzählt ein Genosse unter Voraussetzung der Anonymität: "Auf Zustimmung bin ich hingegen noch nicht gestoßen."

Der langjährige Mandatar sagt dies nach einer Sitzung des Wiener Ausschusses, eines Gremiums für Funktionäre aus der Bundeshauptstadt. Natürlich war Rendi-Wagners Plan, die Mitglieder über ihren Verbleib an der Parteispitze entscheiden zu lassen, dort Thema. Dem Vernehmen nach soll die Resonanz niederschmetternd gewesen sein: Viele verstehen nicht, warum die SPÖ vor der Wien-Wahl im Herbst mit einer Personaldebatte um Negativschlagzeilen bettle, wo endlich einmal die Regierung unter Beschuss sei.

Vertrauensfrage kommt so oder so

Ist der Plan wirklich so undurchdacht? Die Antwort hänge von der Perspektive ab, sagt Peter Filzmaier. Aus der Sicht der angeschlagenen Chefin sei die Strategie logisch, befindet der Politologe: "Sie muss befürchten, dass die Vertrauensfrage in der SPÖ nach der Wien-Wahl sowieso gestellt wird. Dann werden ihre Gegner womöglich auch einen Kandidaten haben, um sie abzulösen."

Derzeit – und das sei die große Schwäche der Kritiker – stehe eine solche Alternative nicht parat. Da ergebe es Sinn, die Vertrauensfrage auf eigene Faust vorzuziehen, urteilt Filzmaier. Rendi-Wagner kalkuliere wohl damit, dass Funktionäre aus taktischen Gründen brav mit Ja abstimmen, um keine groben Turbulenzen so knapp vor der Wien-Wahl auszulösen.

Aus Sicht der Partei sieht der Experte hingegen keine Vorteile – ganz im Gegenteil: "Zuletzt stand eigentlich die ÖVP in der Kritik. Die kann der SPÖ nun ein Dankesschreiben für dieses Ablenkungsmanöver schicken."

Wiener SPÖ als Geschädigte

Gerade Wiener Sozialdemokraten sind potenzielle Geschädigte, sie fürchten einen verunglückten Wahlkampfstart. Man fühle sich von Rendi-Wagner, die persönliche Bedürfnisse über jene der Partei stelle, geradezu hintergangen, sagt einer: Im Herbst hatte Wiens SP-Chef Michael Ludwig die Vorsitzende noch gegen einen Umsturzversuch gestützt, nun wurde auch er nicht vorab konsultiert.

Ganz entgegen der Behauptung von Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch, an der Basis nur positives Echo vernommen zu haben, wurde dem STANDARD aus den Sitzungen vom Montag folgender Sukkus überliefert: Die Wiener würden für Rendi-Wagners Abstimmung sicher nicht werben und mobilisieren, heißt es.

Kann Rendi-Wagner unter den Umständen mit dem Mitgliedervotum überhaupt den Verbleib an der Parteispitze erzwingen? "Die Befragung gibt ihr eine geringe Chance, etwas länger Chefin zu bleiben", sagt der Politologe Filzmaier, "sonst hätte sie gar keine Chance. Und viel zu verlieren hat Rendi-Wagner ja nicht mehr." (Gerald John, 18.2.2020)